Infoblatt WTO


Struktur der WTO, Abkommen und Prinzipien, Kritik



Organisationsschema der WTO (nach www.wto.org)

Seit Ende des zweiten Weltkrieges bemühten sich die Siegermächte um den Neuaufbau und eine Neuordnung des internationalen Währungs-, Finanz- und Handelssystems. Aus dieser Anstrengung heraus entstand die Weltbank, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Internationale Handelsorganisation (ITO). Von letzterer blieb wegen des Vetos der USA jedoch nur GATT übrig, das Abkommen zum weltweiten Abbau von Handelsschranken. GATT führte dazu, dass die durchschnittlichen Einfuhrzölle 1994 nur noch 10 % des Wertes von 1948 betrugen. Die letzte GATT-Runde in Marrakesch 1994 gebar mit ihrer Schlussakte eine neue Organisation: Die World Trade Organization (WTO). Ihr Ziel ist der sog. freie Welthandel, der allen Marktteilnehmern, Käufern wie Verkäufern, freien Zugang zum Weltmarkt gewährt. Seit 1995 arbeitet die WTO mit Sitz in Genf als internationale Organisation außerhalb des UN-Systems. Heute unterstehen bis auf wenige Ausnahmen alle Bereiche des weltweiten Handels den Regeln der WTO.


Struktur

Die wichtigsten Werkzeuge der WTO sind ihre Abkommen, diese resultieren aus den sog. "Handelsrunden". Die Handelsrunden werden meist durch ein "single undertaking" abgeschlossen, d. h., dass alle Verhandlungsgegenstände einer Runde gemeinsam verabschiedet werden. Die derzeitige "Doha Development Round" sollte bis Anfang 2005 abgeschlossen sein. Nachdem dieses Ziel nicht erreicht werden konnte, wurde inoffiziell ein neuer Abschluss Ende 2006 angepeilt, doch laufen die Verhandlungen bzgl. der in der Doha-Runde angepeilten Maßnahmen nach wie vor weiter.
Das höchste Entscheidungsgremium der WTO ist die Ministerkonferenz. Diese tritt mindestens alle zwei Jahre zusammen und besteht aus den Ministern und Vertretern aller Mitgliedsstaaten. Sie beschließt und verabschiedet die Handelsrunden. Der "Allgemeine Rat" besteht aus den in Genf anwesenden Botschaftern bzw. Vertretern der Mitgliedstaaten. Er tagt regelmäßig, fällt Beschlüsse zum Alltagsgeschäft, überprüft die Handelspolitik und ist für die Schlichtung von Handelsstreitigkeiten zuständig.


Mitglieder

Anfang 2013 zählte die WTO 157 Mitglieder, unter anderem die USA, Japan, China und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Im Laufe des Jahres 2012 traten der WTO vier neue Mitglieder bei, darunter mit Russland (22.08.2012) die letzte große Volkswirtschaft, ferner Montenegro (29.04.2012), Samoa (10.05.2012) und Vanuatu (24.08.2012).
Die Mitglieder der WTO erwirtschaften mehr als 90 % des Welthandelsvolumens. Wesentliche Nicht-Mitglieder sind einige Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie mehrere Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens. Im Januar 2013 gab es 27 Regierungen mit Beobachterstatus, die (mit Ausnahme des Vatikan) innerhalb von fünf Jahren Beitrittsverhandlungen beginnen müssen. Der Beitritt ist in Art. XII des WTO-Übereinkommens geregelt. Beim Beitritt oder nach bestimmten Übergangsfristen müssen die Bedingungen der einzelnen WTO-Abkommen erfüllt sein. Die Beitrittsbeschlüsse werden von der Ministerkonferenz mit Zweitdrittelmehrheit gefasst.


WTO-Abkommen

Zu allen WTO-Abkommen gibt es zuständige Räte, die den Namen des Abkommens tragen. Hier einige der wichtigsten Abkommen in Kürze:
  • GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen): Das GATT-Abkommen ist das zentrale Abkommen der WTO. In ihm sind allgemeine Grundsätze des Freihandels sowie Regeln zum Handel mit Waren festgelegt.
  • GATS (Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen): Im GATS-Abkommen sind Regeln für den Handel mit Dienstleistungen (wie Tourismus, Versicherungen und andere Finanzdienstleistungen) festgeschrieben.
  • TRIPS (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums): Das Abkommen regelt Aspekte von Urheber- und verwandten Schutzrechten, Patente und andere sog. Rechte geistigen Eigentums.
  • AoA (Landwirtschaftsübereinkommen): Das Landwirtschaftsabkommen dient dem Abbau von Zöllen für Agrarprodukte, von Exportsubventionen und Unterstützungsmaßnahmen für die einheimische Landwirtschaft.
  • TBT (Übereinkommen über technische Handelshemmnisse): Das Abkommen gilt für landwirtschaftliche und industrielle Güter. Es verbietet den Missbrauch von technischen Standards, Normen bzw. Kennzeichnungen von Produkten als Handelshemmnisse.
  • SPS (Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen): Das Abkommen legt fest, welche nationalen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zulässig sind.



Prinzipien der WTO

Das angestrebte Ziel der WTO ist der Abbau aller Handelsschranken. Dazu bedient sie sich verschiedener Abkommen mit folgenden Grundprinzipien:
  • Das Prinzip der Meistbegünstigung verpflichtet ein WTO-Mitglied dazu, alle handelspolitischen Vorteile, insbesondere Zollermäßigungen, die er einem WTO-Mitglied gewährt, auch allen anderen Mitgliedern zu gewähren.
  • Das Prinzip der Inländerbehandlung oder Gleichbehandlung der Waren (z. B. hinsichtlich steuerlicher oder anderer Standards) verbietet, dass importierte Waren schlechter als einheimische Waren behandelt werden.
  • Nach dem Prinzip der Voraussehbarkeit und Transparenz der Maßnahmen sind außer Zöllen alle Einfuhrbeschränkungen verboten. Die maximale Zollhöhe für jedes eingeführte Produkt muss im Voraus verbindlich festgelegt werden, sie darf nicht einseitig angehoben werden.



Kritik an der WTO

Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidungsfindung in der WTO äußerst demokratisch: Alle Abkommen müssen im Konsens beschlossen werden, alle Mitgliedsstaaten müssen also zustimmen. Kritiker bemängeln jedoch, dass die Quad-Gruppe (Kanada, Japan, USA, EU) massiven wirtschaftlichen Druck auf widerspenstige Staaten ausübt. Ferner sollen die Inhalte des Konsens oftmals in kleinen, von den Quads bestimmten Zirkeln (den sog. Green Room Meetings) vorgezeichnet werden. Das Prinzip des "single undertaking" führt dazu, dass alle Verhandlungen einer Handelsrunde an einem gemeinsamen Stichtag beendet werden müssen. In der Folge besteht die Gefahr, dass aus Zeitdruck Kuhhandel durchgeführt werden: Erleidet ein Land Nachteile in einem Thema, sucht es diese durch Vorteile in einem anderen Thema wieder auszugleichen.
Zusätzlich ist das Streitschlichtungsverfahren der WTO so machtvoll, dass es nationale Regeln und Bestimmungen außer Kraft setzen kann. Es bedient sich diverser Strafmaßnahmen (meistens Strafzölle), um den Freihandel durchzusetzen. Dabei werden internationale, nationale und regionale Gesetze (z. B. über Umwelt oder Soziales) dem Freihandel untergeordnet. Selbst in der UN entwickelte Rechtsregime wie Umweltabkommen, Menschenrechte und Kernarbeitsnormen unterliegen häufig dem WTO-Schiedsgericht. Die Öffentlichkeit wird bei den Verfahren des Gerichtes nicht gehört, sie kann auch keine Anträge einbringen. Weiter wird kritisiert, dass die WTO vorrangig transnationalen, westlichen Konzernen von Nutzen ist. Der Kritik liegt die These zugrunde, dass die Konzerne ihre Produkte weltweit vermarkten können, ohne Rücksicht auf regionale Bestimmungen nehmen zu müssen. Gleichzeitig kann die Produktion immer dahin verlegt werden, wo die Herstellungskosten am niedrigsten sind, denn die WTO-Mitgliedsstaaten dürfen sich gegen Billigprodukte nicht durch Einfuhrzölle schützen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 15.01.2013