Infoblatt Dienstleistungen


Dienstleistungen als immaterielle Leistungen und ihre Hauptgruppen



(Butz)


Branchen im Dienstleistunsgsektor

Nach den Sektorentheorien lässt sich das Wirtschafssystem in drei Sektoren unterteilen, den primären Sektor (Agrarbereich, z. T. Bergbau), den sekundären Sektor (Industrie) sowie den tertiären Sektor, der die Dienstleistungen umfasst. Gegenüber der Landwirtschaft oder der Industrie wächst die Bedeutung des tertiären Sektors, des Dienstleistungsbereichs, in den sog. "Industrieländern" seit vielen Jahren an. Immer mehr Menschen arbeiten in Dienstleistungsberufen. Im Jahr 2010 waren es z. B. beinahe 73,5 % aller Beschäftigten Deutschlands, so dass man eigentlich nicht mehr von Industrieländern, sondern von Dienstleistungsländern sprechen müsste. Der Dienstleistungssektor unterscheidet sich von den beiden anderen Sektoren dadurch, dass hier keine materiellen Güter oder Waren hergestellt, sondern dass v. a. immaterielle Leistungen erbracht werden. Die amtliche Statistik nimmt folgende Unterteilung in Hauptgruppen vor:
  • Handel, Gastgewerbe;
  • Verkehr, Nachrichtenübermittlung;
  • Kreditinstitute, Versicherungsgewerbe;
  • Grundstücks- und Wohnungswesen,
  • Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen;
  • Gebietskörperschaften und Sozialversicherung;
  • Erziehung und Unterricht;
  • Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen;
  • Sonstige öffentliche und private Dienstleistungen.
Es zeigt sich, dass der Dienstleistungsbereich sehr heterogen ist und häufig als Restgröße oder Sammelbehälter dient, dem alle Tätigkeiten zugerechnet werden, die in keinen anderen Sektor passen. Hier finden sich Journalisten, Softwareprogrammierer, Raumpfleger, Zeitungsausträger oder Wissenschaftler wieder. Aufgrund des Problems der Zuordnung in bestimmte Klassen entstanden zahlreiche Überlegungen, wie und ob man den Dienstleistungssektor nochmals unterteilen könnte. So lassen sich beispielsweise unternehmensorientierte Dienste (z. B. Rechts- oder Steuerberatung) von persönlichen/privaten Dienstleistungen (z. B. Friseur, Einzelhandel) unterscheiden. Oft wird auch eine Aufteilung in vier Gruppen vorgenommen: distributive (z. B. Handel), produzentenorientierte (z. B. Beratung), soziale (z. B. Bildung) und persönliche (z. B. Gastronomie) Dienste.


Der Dienstleistungssektor verändert sich

Im Dienstleistungssektor gibt es Branchen, die in den letzten Jahren deutlich gewachsen sind. Es gibt aber auch Dienstleistungen, die weniger nachgefragt werden oder gar nicht mehr gebraucht werden. So gibt es z. B. sog. moderne Dienstleistungen wie die unternehmensorientierten Dienste. Diese unternehmensorientierten Dienstleistungen haben seit Mitte der 1990er Jahre einen deutlichen Aufschwung erfahren. Das hat mehrere Gründe: Beispielsweise werden manche industrielle Produkte (wie z. B. computergestützte Maschinen) immer komplizierter und für die Wartung wird z. B. ein Fachmann benötigt. Die gestiegene Nachfrage nach solchen speziellen Dienstleistungen lässt das Segment der unternehmensorientierten Dienste deutlich wachsen. Ein weiterer Grund für das Wachstum ist das Auslagerungsverhalten der industriellen Unternehmen. Viele Firmen orientieren sich bewusst auf diejenigen Tätigkeiten, die sie ihrer Meinung nach am besten können. Deshalb werden z. B. aus einem Unternehmen, welches Automobile produziert, Dienste wie Reinigung, Verwaltung oder Wartung von Computern ausgelagert. Solche Tätigkeiten werden von neuen Firmen übernommen, die aber nun dem Dienstleistungssektor zugewiesen werden. Dadurch wächst wiederum der Anteil der im Dienstleistungssektor Beschäftigten. Allerdings wird hierbei von einem statistischen Effekt gesprochen. Denn früher wurde beispielsweise die Reinigungskraft zum industriellen Sektor gerechnet und nach der Auslagerung der Tertiärwirtschaft zugewiesen. Ein neuer Arbeitsplatz ist dadurch noch nicht entstanden. Vorteilhaft für die gestiegene Nachfrage nach unternehmensorientierten Dienstleistung ist, dass hier vor allem die höchste Nachfrage nach qualifiziertem bis hochqualifiziertem Personal besteht. Es gibt also nicht nur eine Verlagerung von der Industrie zum tertiären Sektor, sondern auch innerhalb des Dienstleistungsbereichs verschieben sich die Beschäftigtenanteile.


Selbstbedienungsgesellschaft statt Dienstleistungsgesellschaft?

Trotz der gestiegenen Bedeutung des Dienstleistungssektors werden die Erwartungen, die an ihn gerichtet wurden, nicht erfüllt. Einst gab es Überlegungen, dass viele ehemalige Industriebeschäftigte im boomenden Dienstleistungssektor neue Arbeit finden werden. Leider haben sich die optimistischen Prognosen nur z. T. als richtig erwiesen. Ständig neue technische Fortschritte ermöglichen auch Dienstleistungen zu automatisieren und dadurch zu rationalisieren oder gar zu verlagern. Dadurch werden auch in einigen Branchen des Dienstleistungssektors weniger Arbeitskräfte benötigt. Jeder kann diese Entwicklung im Alltag spüren. So ersetzt das Automobil den Bus, die Haarschneidemaschine den Frisör, die Waschmaschine die Wäscherei, der DVD-Player mit Soundsystem das Kino. Wer eine Fahrkarte für den Bus oder die Bahn lösen möchte, macht das immer häufiger am Automaten. In Banken, Supermärkten und sogar in Hotels ersetzen Automaten menschliche Arbeitskräfte. Automaten machen Dienstleistungen billiger und rund um die Uhr verfügbar. Für die Zukunft wird eine weitere Automatisierung prognostiziert, so werden in den Supermärkten sogar die Kassiererinnen durch Automaten ersetzt, an denen die Kunden selbst ihre Produkte einscannen. Eine Hilfskraft überwacht dann mehrere Kassen. Steht uns also eine Selbstbedienungsgesellschaft statt einer Dienstleistungsgesellschaft bevor?
Die neuen technischen Entwicklungen ermöglichen auch die Verlagerung von Dienstleistungen ins Ausland. So kann z. B. Software viel preiswerter in Russland oder Indien statt in der Bundesrepublik programmiert werden. Wenn Anrufer in den USA eine Hotline anrufen, werden sie immer häufiger mit einem Call-Center in Indien verbunden. Inder sprechen auch Englisch und arbeiten für wesentlich weniger Lohn. Außerdem sind die Kommunikationskosten in den letzten Jahren rapide gesunken. Deutschland kann diese Entwicklung ebenfalls treffen. Schließlich gibt es Menschen in Polen, Tschechien und der Türkei, die gut Deutsch sprechen. Somit kommen diese Länder als Standorte für deutsche Call-Center vermehrt in Frage. Aber nicht alle Dienstleistungen können ins Ausland verlagert oder automatisiert werden. Bestimmte Beratungsdienste oder Tätigkeiten im Gesundheitssektor müssen nach wie vor dort erledigt werden, wo die Nachfrage herrscht. Auch wenn es Lern-Software und Bücher gibt, Lehrkräfte können nicht ohne weiteres rationalisiert werden. Ähnlich wie in der Industrie wird es also Dienstleistungen geben, die erhalten bleiben, weniger nachgefragt werden oder gar ganz vom Arbeitsmarkt verschwinden. In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass immer mehr Dienstleistungen nicht mehr benötigt werden und einen ähnlichen Entwicklungspfad aufweisen, wie altindustrielle Wirtschaftszweige.


Literatur

Kulke, E.; Nuhn, H. & P. Jurczek (1998): Dienstleistungen. In: Kulke, E. (Hrsg.): Wirtschaftsgeographie Deutschlands, 157-198.
Sedlacek, P. (2003): Dienstleistungen in Deutschland - Hoffnung oder Enttäuschung des 21. Jahrhunderts? In: Geographie und Schule 25. Jg., Heft 141, 12-18.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich, Alexander Grimm
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004/2011
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.11.2011