Infoblatt Ruhrgebiet


Informationen über den größten zusammenhängenden Wirtschaftsraum Deutschlands


Abgrenzung

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Naturraum

Das Ruhrgebiet ist kein einheitlicher Naturraum. Es liegt im Schnittpunkt des Rheinischen Schiefergebirges, der Westfälischen Tieflandebene sowie der Niederrheinischen Ebene. Die wirtschaftliche Bedeutung geht auf die reichen Steinkohlevorkommen zurück. Während die Kohle führenden Schichten im Süden der Region direkt zutage treten, sinken sie nach Norden hin ab und werden dort von einer Kreidedecke überlagert.


Fläche und Einwohner

Mit etwa 4.435 km² umfasst das Ruhrgebiet etwa 13 % der Gesamtfläche Nordrhein-Westfalens. 22,8 % hiervon sind Gebäude und zugehörige Freiflächen, 9,7 % Verkehrsflächen, 3,8 % Erholungsflächen, 18 % Wald, 3,2 % Wasserflächen und 39,2 % landwirtschaftlich genutzte Flächen. Die maximale Ost-West-Ausdehnung beträgt 116 km, von Norden noch Süden sind es maximal 67 km. Von den insgesamt rund 5,15 Millionen im Ruhrgebiet lebenden Menschen (2010) sind 558.000 Mitbürger ausländischer Staatsangehörigkeit. Die Besiedlungsdichte beträgt etwa 1.161 Einwohner pro km². Die größten Städte im Ruhrgebiet sind (2010):
Die größten Städte im Ruhrgebiet sind:
  • Dortmund - 580.444 Einwohner
  • Essen - 574.635 Einwohner
  • Duisburg - 489.559 Einwohner
  • Bochum - 374.737 Einwohner



Verwaltungsgliederung

Der Westen des Reviers mit dem Kreis Wesel und den Städten Essen, Duisburg, Oberhausen und Mülheim gehört zum Regierungsbezirk Düsseldorf. Gelsenkirchen, der Kreis Recklinghausen und Bottrop werden von Münster aus verwaltet. Der Kreis Unna und der Ennepe-Ruhr-Kreis sowie die Städte Dortmund, Bochum, Herne, Hamm und Hagen sind Teile des Regierungsbezirks Arnsberg. Außerdem sind noch der Landschaftsverband Rheinland mit Sitz in Köln und der Landschaftsverband Westfalen mit Sitz in Münster an der Verwaltung des Reviers beteiligt.


Industrieentwicklung

Der Kohlenabbau am Rand des Ruhrtals begann in geringem Maße bereits im Mittelalter. Doch erst nach Erfindung der Dampfmaschine und den damit ermöglichten größeren Fördertiefen erfolgte im 19. Jahrhundert die eigentliche Revierbildung. Das Ruhrgebiet entwickelte sich zu einem industriellen Ballungsraum mit großer Bevölkerungsdichte; zahlreiche Großstädte entstanden. Neben dem Bergbau wuchs im 19. Jahrhundert das zweite wirtschaftliche Standbein der im Volksmund "Kohlenpott" genannten Region: die auf die Eisen- und Stahlgewinnung ausgerichtete Industrie mit Konzernen wie Krupp, Mannesmann und Thyssen.
Der südliche Teil nahe der Ruhr stellt heute das älteste Bergbaugebiet mit stillgelegten kleinen Zechen dar. Ortschaften wie Kettwig oder Witten bieten heute vor allem Wohn- und Erholungsraum. Der Bereich der Städte Essen, Bochum und Dortmund wurde durch den Bergbau sowie durch Eisen schaffende und Eisen verarbeitende Industrie geprägt. Nahe Duisburg, Gelsenkirchen und Herne herrschte neben Großzechen die Eisen-, Stahl- und Chemieindustrie vor. Am nördlichen Rand löst sich das geschlossene Industriegebiet zunehmend auf. Große Wald- und Agrarflächen wechselten sich mit einigen neuen Großzechen ab (von denen es heute nur noch drei gibt), welche die Ansiedlung von Kraftwerken und chemischer Industrie nach sich gezogen haben.


Strukturwandel

Anfang der 1960er-Jahre geriet der Absatz der Steinkohle ins Stocken. Der internationale Handel war freier geworden und andere Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas verdrängten die Steinkohle. Um der kritischen Situation zu begegnen, schlossen sich 1968 unter Mitwirkung der Bundesregierung 19 Bergwerksunternehmen in der Holdinggesellschaft Ruhrkohle AG mit Sitz in Essen zusammen. Eigenständig blieben nur wenige Gruben der Firma BASF und des Eschweiler Bergwerkvereins. Trotz gezielter staatlicher Subventionen ließ sich der notwendige Strukturwandel innerhalb des Ruhrgebiets nicht aufhalten, zumal auch die Unternehmen der Schwerindustrie durch die Stahlkrise unter Druck gerieten. Neue Branchengruppen wie die Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit zahlreichen Brauereien, der Fahrzeug- und Maschinenbau, die Elektrotechnik und die Feinmechanik trugen zu einer Diversifizierung des ökonomischen Gefüges bei. Kleine und mittelgroße Firmen ergänzten nunmehr die seit Beginn des 20. Jahrhunderts großbetrieblich bestimmte Wirtschaftsstruktur der Region. Auch Unternehmen der herkömmlichen Montanindustrie wandten sich neuen Geschäftsfeldern zu. Diese liegen vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Umweltsicherung. Insgesamt verzeichnete das Dienstleistungsgewerbe den größten Aufschwung; seit Beginn der 1990er-Jahre vereint es bereits über 50 Prozent der Gesamtbeschäftigtenzahl des Ruhrgebiets auf sich. Dieser Bedeutungszuwachs des tertiären Sektors geht u. a. auf die Gründung von Universitäten und Gesamthochschulen, von Technologiezentren und Beratungseinrichtungen zurück. Heute ist das Ruhrgebiet längst nicht mehr das Land der Steinkohlezechen und rauchenden Schlote. Stattdessen präsentiert sich die Region auch als eines der Hauptzentren der Online-Welt und digitalen Wissensvermittlung. Fünf Universitäten, mehrere Fachhochschulen, zahlreiche Museen, Archive und Bibliotheken sowie andere Institutionen haben das Ruhrgebiet zu einer Drehscheibe für Bildung und Information gemacht.


Raumentwicklung, interkommunale Kooperation und Umlandverflechtung

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden im Ruhrgebiet Verbände wie der Ruhrtalsperrenverein oder die Emschergenossenschaft zur Organisation der Wasserwirtschaft gegründet; sie regelten, wie die Funktionen Energiegewinnung, Abwasserbeseitigung und Versorgung mit Trink- und Brauchwasser auf die verschiedenen Flüsse verteilt werden sollten. Als erste deutsche Raumplanungsbehörde entstand 1920 der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR), der sich mit der Anlage von Siedlungsschwerpunkten und Grünflächen ebenso wie mit Fragen der Verkehrsplanung beschäftigte. Bei der Neustrukturierung des SVR zum Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) im Jahre 1979 ging die Regionalplanungskompetenz jedoch per Landesgesetz an die Bezirksregierungen über. Durch eine weitere Änderung des Landesplanungsgesetzes im Jahre 2004, die nicht zuletzt aufgrund einer steigenden Kooperation innerhalb des Ruhrgebiets notwendig wurde, entstand aus dem KVR der Regionalverband Ruhr (RVR), der der stärkeren Gewichtung des Ruhrgebiets als zusammenhängende Region gerecht werden soll und seit 2009 auch wieder die Regionalplanung übernommen hat.
Im Ballungskern ist das Ruhrgebiet polyzentrisch strukturiert. Es handelt sich um eine verstädterte Region, nicht aber um eine Stadt. Daher haben sich zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, den Bezirksregierungen, den Landschaftsverbänden, dem RVR und den Städten und Kommunen des Ruhrgebiets vielfältige Formen regionaler Zusammenarbeit entwickelt. Dies sei an einigen Beispielen veranschaulicht:
  • Der regionale schienengebundene Nahverkehr wird vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr organisiert. Dieser greift bis weit ins Rheinland aus (Mönchengladbach, linksrheinische Kreise).
  • Bau und Unterhaltung des regionalen Straßennetzes obliegen dem Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW).
  • Die Abwasserbeseitigung durch Ruhrverband, Emschergenossenschaft und Lippeverband wird seit langem regional organisiert. Ähnliches gilt für gemischt wirtschaftliche Strukturen in der Abfallbeseitigung, der Wasserversorgung und der Energieversorgung.
  • Der RVR nimmt für seine fünfzehn Mitgliedskörperschaften (elf kreisfreie Städte und vier Kreise) Aufgaben mit überörtlicher Bedeutung wahr. Dazu zählen vor allem die Regionalplanung, die regionale Wirtschafts- und Tourismusförderung, die Öffentlichkeitsarbeit sowie die informelle Planung zur zukünftigen Entwicklung des Verbandsgebietes. Außerdem ist der RVR Träger bedeutender Infrastrukturprojekte (Route der Industriekultur, Emscher Landschaftspark) sowie mit den kommunalen Partnern Träger der sieben Revier- und Freizeitparks und entwickelt Konzepte zur künftigen Freizeitentwicklung. Schließlich stellt der RVR umfangreiche Daten- und Kartenwerke mit eigens erhobenen Klima- und Geodaten bereit.
  • Der Initiativkreis Ruhr dient der Einleitung neuer Innovationsschübe und der Förderung von Investitionen mit Unterstützung durch eine Gruppe von etwa 70 deutschen und europäischen Unternehmen.
  • Die Internationale Bauausstellung Emscher-Park war eine Initiative der Landesregierung NRW. Sie war ein staatliches Entwicklungs- und Strukturprogramm, das für einen politisch definierten Raum (die "Emscherregion") mit einer Laufzeit von 1989 - 1999 aufgelegt worden war. Die zentrale Programmthese der IBA besagte, dass künftig die ökonomische Entwicklungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Regionen von deren ökologischen und urbanen Qualitäten abhängig sein wird. Die Spuren der IBA Emscher -Park sind auch heute noch vor allem in den Bereichen Kultur und Naherholung überall in der Region sichtbar.
Von einer funktionsräumlich-städtischen Gliederung kann kaum mehr gesprochen werden. Die Grenzen sind verschwommen, die "Zwischenstadt" ist an die Stelle der ursprünglichen Kernstädte (im Sinne des Leitbildes einer traditionellen europäischen Stadt) getreten. Die wechselseitige Abhängigkeit verursacht Vor- und Nachteile. Ähnliche Problemlagen und das Interesse an gemeinsamen Entwicklungsprozessen lassen eine Zusammenarbeit in vielen Fragen sinnvoll erscheinen (z. B. Infrastruktur, räumliche Strategien gegen soziale Disparität, Verbesserung der Umweltqualität). Ein Beispiel für wechselseitige Abhängigkeit bietet auch das Phänomen der Suburbanisierung im Ruhrgebiet. Es besteht die Gefahr, dass sich bei einer fehlenden Koordination die Nachteile der Suburbanisierung verstärken bzw. auf einzelne Städte verstärkt niederschlagen. Umgekehrt könnten sich die Städte des Ballungskerns durch eine wechselseitige Abstimmung bei ihren Bemühungen um Re-Urbanisierung unterstützen.


Neuere Entwicklungen im Bereich der Raumentwicklung - Regionaler Flächennutzungsplan

Um dem Ruhrgebiet als zusammenhängende und eng verflochtene Region gerecht zu werden, wurden und werden umfangreiche Neuerungen im Bereich der Raumentwicklung teils probiert, teils etabliert.
So ist z.B. im Verbandsgebiet des RVR im Jahr 2005 der erste Regionale Flächennutzungsplan (RFNP) Deutschlands aufgestellt worden. Grundlegende Innovationen dieses planerischen Instruments speziell für NRW lagen zum damaligen Zeitpunkt in der Tatsache, dass es hiermit möglich war, über die Grenzen der Bezirksregierungen hinaus eine verbindliche Regionalplanung zu betreiben und dabei zugleich die Funktionen eines Regionalplans und eines gemeinsamen Flächennutzungsplans nach § 204 des Baugesetzbuchs zu verbinden, wodurch eine Planungsebene eingespart werden konnte. Vor der Erstellung des Regionalen Flächennutzungsplans wurden das Instrument sowie die Potenziale zur Anwendung insbesondere im Rahmen des Forschungsverbundes "Städteregion Ruhr 2030" – bestehend aus den Städten Duisburg, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Bochum und Dortmund – intensiv diskutiert. In der Folge haben sich dann sechs dieser Städte (ausgenommen Dortmund und Duisburg) zur "Planungsgemeinschaft Städteregion Ruhr" zusammengeschlossen und den gemeinsamen RFNP 2005 aufgestellt. Das Landesplanungsgesetz sah allerdings von Beginn an eine zeitliche Begrenzung dieser Möglichkeit bis zum 1. Oktober 2009 in Verbindung mit einer Evaluierung des Vorhabens ab dem Jahr 2008 vor, da mit einem solchen Planungsinstrument keinerlei Erfahrungen bestanden. Die Evaluierung kam zu dem Ergebnis, das Planungsinstrument RFNP nicht weiter vorzusehen, es ist dementsprechend im neuen Landesplanungsgesetz von 2010 nicht mehr enthalten.
Stattdessen wurde die Rückübertragung der Regionalplanungskompetenz für das Verbandsgebiet von den Bezirksregierungen an den RVR zum 21. Oktober 2009 beschlossen, sodass der vom RVR für das Verbandsgebiet beschlossene Regionalplan den regionalplanerischen Teil des RFNP ersetzt.


Kultur

Das kulturelle Leben des "Kohlenbezirks" hat sich während der vergangenen Jahrzehnte stark entfaltet und zu einem besseren Ansehen der Region beigetragen: Neben den traditionellen Ruhrfestspielen, einem Theaterfestival, das 1947 vom Deutschen Gewerkschaftsbund und der Stadt Recklinghausen gegründet wurde, finden z. B. unter der Schirmherrschaft des Initiativkreises Ruhr zahlreiche kulturelle Großveranstaltungen statt. Zu den herausragenden Besonderheiten der Region zählen die erhaltenen Denkmäler der Industriekultur. Auch international im Fokus steht die Essener Zeche Zollverein, stillgelegt 1986 und seit 2001 durch die UNESCO anerkanntes Weltkulturerbe. Ebenso sorgt die eng verflochtene Stadtlandschaft des Ruhrgebiets für ein dichtes Angebot an Museen, Theatern und Musikveranstaltungen. Die Ruhr Tourismus GmbH wirbt mit 200 Museen, 100 Kulturzentren, 100 Konzertsälen, 120 Theatern, 250 Festivals und Festen, 3.500 Industriedenkmälern und zwei großen Musicaltheatern für die „Kulturmetropole Ruhr“.
Ausdruck für den hohen Stellenwert kultureller Angebote im Ruhrgebiet ist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Region unter der Führung der Stadt Essen im Jahr 2010 Kulturhauptstadt Europas war, wobei der Fokus entsprechend der engen regionalen Verflechtungen auf dem gesamten Ruhrgebiet lag, was auch im Titel RUHR.2010 deutlich gemacht wurde.
Nicht zu vergessen sind mehrere Fußballvereine in der ersten und zweiten Bundesliga. Großstadien, Mehrzweckhallen, Freizeitparks (Revierparks) und sogar klimatisierte Skihallen runden das Angebot ab.


Problemfeld Verkehr

Das Ruhrgebiet verfügt über eine günstige Verkehrsanbindung: Zahlreiche Autobahnen und Bundesstraßen durchziehen das Ruhrgebiet. Der Rhein stellt die Verbindung in Nord-Süd-Richtung her und führt zum Seehafen Rotterdam, ebenso liegt in Duisburg der größte Binnenhafen Europas – Duisport. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang der Rhein-Herne- sowie der Dortmund-Ems-Kanal, die über einen schleusenlosen Zugang zum Rhein verfügen. Die Verkehrssituation innerhalb des Ruhrgebietes ist allerdings unbefriedigend. Zwar hat das Ruhrgebiet sowohl im Straßenverkehr als auch im Öffentlichen Nahverkehr eines der dichtesten Verkehrsnetze der Welt, dieses ist aber chronisch überlastet. Der Neubau von Autobahnen ist durch knappe Kassen und wenig verbleibende bebaubare Flächen unrealistisch. Nur 16 % des Verkehrsaufkommens im Ruhrgebiet werden durch öffentliche Verkehrsmittel erledigt, 30 % gelten als normal für Ballungsgebiete und werden von Berlin, Frankfurt oder München erreicht. Insgesamt 38 Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs haben sich zwar zum Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zusammengeschlossen, zu dem nur der Kreis Unna und die Stadt Hamm nicht, seit dem 1. Januar 2012 aber auch der Kreis Wesel gehören, dieser stellt jedoch lediglich eine Tarifgemeinschaft dar.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig, Kristian Uhlenbrock, Christian Neuhaus
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 01.02.2012