Infoblatt Wie entsteht ein Auto?


Überblick von der Entwicklung eines neuen Automodells bis hin zur Produktion



(Klett)

Kaum ein anderes Konsumgut hat den Alltag der Menschen mehr verändert als das Automobil. Die aktuellen Modelle bestehen aus bis zu 20.000 Einzelteilen. Dadurch ist das Auto ein überaus komplexes Produkt, was in der Fertigung ein vielschichtiges und organisiertes Zusammenspiel erfordert. Längst wird ein Auto nicht mehr an einem Standort produziert, sondern ein ganzes Produktionsnetzwerk ist hierfür notwendig. Die Bauteile stammen aus aller Welt und werden in vielschichtigen Prozessketten von Mensch und Maschine zu einem fertigen Produkt geformt. Wesentliche Komponenten eines Autos bilden die:
  • Antriebseinheit (z. B. Motor, Getriebe, Kupplung, Gelenkwellen)
  • Fahrwerk (z. B. Radaufhängung, Lenkung, Bremse, Autoreifen, Autofelge)
  • Karosserie
  • Außenausstattung (z. B. Stoßstange, Scheibenwischer)
  • Innenausstattung (z. B. Sitze, Armaturenbrett)
  • Elektrik (z. B. Zündung, Lichtmaschine, Anlasser, Beleuchtung)
  • Mechatronische Komponenten (z. B. ESP, ABS)
Bevor ein neues Automodell in Serienfertigung geht, muss es einen komplexen Produkt-Entstehungsprozess durchlaufen.


Entwicklung eines neuen Modells

Die gesamte Entwicklung eines neuen Automobils gliedert sich in mehrere Stufen. Grundlage für den gesamten Entwicklungsprozess ist das Lastenheft, worin alle Richtlinien und Anforderungen festgehalten werden. Der Entstehungsprozess eines neuen Autos beginnt beim Designer, der das neue Modell entwirft. Ausgehend von den Ideen des Designers wird entschieden, welcher Entwurf realisiert wird. Das Package beinhaltet die erste zeichnerische Fassung des neuen Automobils. Enthalten sind die geplanten Gesamtumrisse, Öffnungslinien, wesentliche Innenraumteile und Sitze. Weiterhin werden bereits die Sichtverhältnisse, die Bedienbarkeit von Lenkrad und Pedalen, die Kopffreiheit und Sichtverhältnisse auf die Instrumente berücksichtigt. Als nächster Prozessschritt folgt der Tapeplan. Aus Klebebändern (Tapes) wird eine Seitenansicht der Karosserie im Maßstab 1:1 gefertigt, wobei die Formenskizzen und das Package die Grundlage hierfür bilden. Zu den nächsten Vorbereitungsarbeiten gehört die Konstruktion eines Designmodells. Aus diesem wird in mehreren Schritten schließlich die Karosserie entwickelt. Zunächst wird aus einem realen 1:1 Modell durch Abtastdaten eine Punktwolke auf dem Computer erzeugt. Außerdem werden das Interieur und verschiedene Aggregate entworfen und in das Computermodell integriert. Der virtuelle Rohbau des geplanten Autos durchläuft nun eine Reihe von Computersimulationen. Ausführlich werden beispielsweise Einbauuntersuchungen durchgeführt oder auch schon Crash-Simulationen vorgenommen. Die Schnittstelle zwischen Design, Konstruktion und der späteren Fertigung bildet der Prototypenbau. Nachdem der Prototyp eines Autos entwickelt wurde, werden mit diesem weitere Tests und Versuche unternommen. Zwar wurden durch die Computersimulationen bereits die teuren Versuche mit Prototypen verringert, dennoch kann (noch) nicht gänzlich darauf verzichtet werden. Nach all diesen Entwicklungsschritten kann das neue Modell in den Serienstart gehen, sprich in die massenhafte Fertigung. Wichtig für die Autohersteller bei dem Produkt-Entstehungsprozess sind eine möglichst kurze Entwicklungszeit und somit auch eine Senkung der Kosten.


Produktion

Zwar erscheint die Entwicklung eines neuen Automodells schon sehr komplex, aber bildet dennoch nur eine Vorstufe für die eigentliche Fertigung. Die Produktion eines Autos vom Pressen des Bleches bis zur Endmontage ist äußerst vielschichtig und besteht aus vielen Prozessstufen. Das Ursprungsmaterial eines neuen Autos sind tonnenschwere Aluminium- und Stahlrollen. Diese werden im Presswerk zu Blechplatinen zugeschnitten und in die passende Form gebracht. Das Schweißen der Karosserie ist nahezu vollautomatisiert. Aus den ca. 500 Blechteilen wird durch Industrieroboter der Karosserie-Rohbau gefertigt. Danach gelangt der Rohbau in die Lackiererei, wo mehrere Schichten Lack als Farbgestaltung und Schutz aufgetragen werden. Auch das Auftragen der Lackschichten erfolgt durch automatische Techniken und Spritzroboter. Extrem fein zerstäubte Lackpartikel werden elektrostatisch aufgeladen, durch Spritzdüsen in die Luft gesprüht und von der Karosserie wie ein Magnet angezogen. Mitarbeiter kontrollieren die Verarbeitungsqualität, die Steuerung und überwachen die Spritzroboter. Generell wird bei den verschiedenen Montagestufen die Qualität des neuen Autos ständig kontrolliert, um ein hochwertiges Produkt zu erzeugen. Anschließend beginnt durch die Mitarbeiter bereits die Montage von Bestandteilen wie Sitze, Cockpit und kundenspezifische Komponente. Bevor es zur "Hochzeit" von Karosserie und Motor, Getriebe sowie Fahrwerk kommt, werden in anderen Werken bereits diese Komponenten zusammengeschraubt. So wird etwa im Motorenwerk durch Handarbeit die Motorentechnik erzeugt. Bei anderen Herstellern werden unterdessen die Gelenkwellen, das Getriebe und weitere Fahrzeugteile zum Antrieb vormontiert. Die verschiedenen Komponenten hierfür stammen entweder aus eigener Produktion oder werden durch Zulieferer hergestellt. Zwar besteht ein Auto aus Tausenden Einzelteilen, aber beim eigentlichen Autohersteller werden nur ca. 1.200 Module angeliefert, woraus das Produkt schließlich gefertigt wird. Weil viele Autoproduzenten kaum noch Lagerflächen besitzen, müssen die Antriebseinheit und die anderen Module pünktlich geliefert werden ("just-in-time"). Nach der Hochzeit der Hauptkomponenten gelangt das fast fertige Auto auf eigenen Rädern in die Endmontage. Nun werden die letzten Einzelteile und die Verkleidungen angebracht, Flüssigkeiten eingefüllt und zum ersten Mal der Motor gestartet. Danach erreicht das Auto den Prüfbereich, wo jedes Fahrzeug umfangreiche Prüfungen und Tests bestehen muss, bevor es die Bänder verlassen kann. Nach dem Finish der Produktion tritt das neue Auto oftmals eine weite Reise per LKW, Bahn oder Schiff an, bis es der Händler und dann der hoffentlich zufriedene Kunde schließlich empfangen kann.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 03.03.2012