Infoblatt Wasserstoffwirtschaft


Eigenschaften, Herstellung und Versorgungsproblematik



Wasserstoffanlage der Linde AG in Brunsbüttel (Linde AG)

Wasserstoff stellt für zahlreiche Experten eine wichtige Ergänzung im Bereich der heutigen Energieträger dar. Im Gegensatz zu fossilen Energiequellen wie Erdöl, Erdgas und Kohle entstehen bei der Verbrennung des Wasserstoffs mit Sauerstoff dort, wo er eingesetzt wird, im Grunde keine schädlichen Emissionen, da die Reaktion nur zur Bildung von Wasser führt. Eine komplett emissionsfreie Gewinnung von Energie wäre also denkbar. Allerdings sind bis zu diesem Punkt noch zahlreiche Hürden im Bereich der Herstellung und der Versorgung zu überwinden.
Wasserstoff, ein unsichtbares, geruchsneutrales und ungiftiges Gas, ist das einfachste, leichteste und am häufigsten vorhandene Element, welches sowohl in Wasser als auch in jeglichen organischen Stoffen vorkommt. Allerdings ist es dort immer chemisch gebunden, stellt also kein natürliches Produkt dar. Der Wasserstoff muss daher erst aus diesen Bindungen gelöst werden, um ihn einsetzen zu können, und ist damit ein Sekundärenergieträger.


Herstellung von Wasserstoff

Um den heutzutage benötigten Wasserstoff, der dabei nur stofflich und nicht energetisch genutzt wird (jährlich etwa 500 Mrd. m³), zu gewinnen, finden in der Regel zwei Verfahren Anwendung. Zum einen die teilweise Oxidation von schwerem Heizöl und anderen schweren Kohlenwasserstoffen und zum anderen das sog. Steamreforming, bei dem unter Zusatz von Wasserdampf chemische Rohstoffe aus den Kohlenwasserstoffen gewonnen werden. Es entsteht ein Gasgemisch, das einer aufwändigen Nachbereitung und Reinigung von Nebenprodukten bedarf. Weitere Möglichkeiten sind die Chlorelektrolyse mit elektrischem Strom, bei der Wasserstoff allerdings nur ein Nebenprodukt darstellt, sowie die Wasserelektrolyse, bei der jedoch Reinstwasser von Nöten ist. Die Wasserelektrolyse ist derzeit sehr viel teurer als die anderen Verfahren und wird daher nur in geringem Maße genutzt.


Einsatz erneuerbarer Energien

Als Alternative zur Herstellung von Wasserstoff aus bzw. unter Zuhilfenahme von fossilen Energieträgern kommt eine Produktion durch Wasserelektrolyse mittels erneuerbarer Energien in Betracht. Zum einen werden sehr viel weniger endliche Energieressourcen verbraucht sowie der Ausstoß von CO2verhindert, zum anderen kann so erneuerbare Energie via Wasserstoff gespeichert und für neue Einsatzgebiete nutzbar gemacht werden. Es lassen sich sämtliche regenerativen Energiequellen, also Wind, Wasser, Sonne sowie Geothermie, einsetzen, wobei hier regionale Besonderheiten ausschlaggebend sind.
Eine Vorreiterrolle hat Island eingenommen. Zwar wird die benötigte Energie schon jetzt zu 70 % aus Erdwärme und Wasserkraft gewonnen, doch führt das Land noch immer große Mengen Erdöl für Kraftfahrzeuge und die Fischfangflotte ein. Island hat deshalb seinen Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft vollzogen, um sich langfristig ganz von fossilen Energieträgern zu lösen. Kernpunkt ist hier die umweltschonende Herstellung des Wasserstoffs. Die Energiegewinnung aus Wasserkraft und Erdwärme ermöglicht eine tatsächlich emissionsfreie Herstellung. Studien belegen, dass unter Verwendung von etwa zehn Prozent des verfügbaren Energiepotenzials regenerativer Energiequellen auf Island die gesamten Ölimporte ersetzt werden können.
In Deutschland gehen Überlegungen in Richtung einer solaren Wasserstoffwirtschaft. Ebenfalls über Wasserelektrolyse wird hier der notwendige Strom aus Sonnenenergie gewonnen. Ein Problem ergibt sich jedoch aus den enormen Kosten, da unter Verwendung von Solarstrom ein Kubikmeter Wasserstoff Kosten von über 3 € verursachen würde. Wasserstoff aus fossilen Kohlenwasserstoffen jedoch kostet nur 0,05 €. Die Ursache dafür liegt im Preis des Solarstroms, der gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2009 bei 0,32 bis 0,43 €/kWh liegt. Dieser müsste mindestens auf 0,013 €/kWh fallen, um solaren Wasserstoff rentabel zu machen. Da eine solche Entwicklung in näherer Zukunft nicht eintreten wird, kann die solare Wasserstoffproduktion in Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen nicht als Alternative gewertet werden.
Doch in der Kombination Windenergie-Wasserstoffproduktion wurde mit der Grundsteinlegung für ein Hybridkraftwerk im brandenburgischen Prenzlau ein Meilenstein erreicht. Das Konzept sieht vor, dass die durch Windkrafträder produzierte überschüssige Energie zur Herstellung von Wasserstoff verwendet wird. Sollte es dann zu einer Flaute kommen, wird der Wasserstoff in Verbindung mit Biogas in einem Blockheizkraftwerk verbrannt. So kann die Windkraft sehr viel effektiver als mit Akkus gespeichert werden.
Schon lange in der Diskussion sind Projekte, die sich mit der Produktion von solarem Wasserstoff in Wüstenregionen befassen. Dies soll durch Wasserelektrolyse mit elektrischem Strom aus solarthermischen Kraftwerken sowie Photovoltaik-Anlagen geschehen. Über Pipelines oder mit Schiffen wird der Wasserstoff dann zu den Verbrauchern in Europa transportiert. Probleme ergeben sich aber auch hier durch die enormen Kosten. Hinzu kommen die Notwendigkeit der Verwendung von Reinstwasser, welches erst aus dem Mittelmeer gewonnen und aufbereitet werden muss, sowie einer aufwändigen Zwischenverdichtung beim Transport via Pipeline oder ein zusätzlicher Energieaufwand durch Rückvergasung, sofern der Wasserstoff verflüssigt wurde. Aus diesen Gründen liegen bisher noch keine Detailplanungen für ein solches Projekt vor.


Wasserstoff aus Kernenergie

Eine weitere Möglichkeit zur Produktion von Wasserstoff ist in Atomkraftwerken der neuesten Generation, auch als IV-G bezeichnet, zu sehen. Deren Reaktoren arbeiten mit enorm hohen Temperaturen und produzieren nicht nur Strom und Wärme, sondern täglich auch bis zu zwei Millionen Kubikmeter Wasserstoff. Noch existieren derartige Reaktoren nicht, doch soll bis spätestens 2010 ein Versuchsreaktor in den USA gebaut werden. In Europa wird nicht vor 2030 mit einem solchen gerechnet.


Versorgungsproblematik

Um den gewonnenen Wasserstoff speichern bzw. transportieren zu können, muss dieser zur Verringerung seines Volumens stark komprimiert oder aber zur Änderung seines Aggregatzustandes verflüssigt werden. Heute werden zur Herstellung von 1 m³ Gas ungefähr 5 kWh Energie benötigt, bei der Verbrennung aber nur 3,6 kWh zurück gewonnen. Die einzusetzende Energiemenge aus elektrischem Strom übersteigt die Energiemenge, die aus dem Brennstoff gewonnen werden kann, also um bis zu 50 %. Die Volumenverringerung findet unter hohem Druck, 200 bzw. 800 bar, statt und beansprucht weitere 15 bis 25 % der Energiemenge, bei der Verflüssigung durch Abkühlung auf -253 °C sogar bis zu 50 %. Für den Transport sind abermals 5 bis 10 % der Energie von Nöten. Für eine energetische Verwertung des Wasserstoffs sind die derzeitigen Verfahren, die in der Regel auf fossilen Kohlenwasserstoffen basieren, wegen der schlechten Energieausbeute nicht praktikabel.
Neben diesen energetischen Nachteilen ergeben sich aber auch in der notwendigen Infrastruktur große Probleme, da diese erst unter dem Einsatz hoher Investitionen errichtet werden muss. Wie schon beschrieben bedarf es umfangreicher Bau- und Entwicklungsmaßnahmen, um bisher genutzte Kohlenwasserstoffe, Erdöl und Erdgas, durch Wasserstoff ganz oder teilweise zu substituieren. Sehr deutlich wird dies beim Einsatz im Automobilbereich, da hier ein kostenintensives Tankstellennetz aufgebaut werden muss, um die Versorgung mit Kraftstoff sicherstellen zu können. Dennoch nimmt die Entwicklung auf diesem Sektor mittlerweile konkrete Formen an. So hat Norwegen im Mai 2009 eine 560 km lange "Wasserstoff-Autobahn" von Oslo nach Stavanger eingeweiht, die mit zahlreichen Tankstationen ausgestattet ist. Insgesamt 50 Fahrzeugtypen können an diesen versorgt werden.
Ein weiteres Projekt wurde im September 2009 durch eine breite Industrieallianz angestoßen. Autokonzerne und Energieversorger wollen ab 2015 hunderttausende Fahrzeuge mit Brennstoffzellen zum praktischen Einsatz bringen. Das notwendige Tankstellennetz soll durch die Mineralölindustrie errichtet werden. Weltweit existieren bereits etwa 200 Wasserstofftankstellen (Stand 2011), 30 davon werden in Deutschland betrieben. Experten gehen allerdings davon aus, dass frühestens in 30 Jahren die notwendige Infrastruktur flächendeckend zur Verfügung steht, um fossile Brennstoffe ernsthaft durch Wasserstoff zu ersetzen. Trotz dieser problematischen Ausgangslage werden in Deutschland von 2007 - 2016 etwa 500 Millionen Euro in die Erforschung und die Entwicklung neuer Herstellungs- und Versorgungstechniken investiert, um den kommerziellen Einsatz von Wasserstoff zu ermöglichen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2006
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.07.2012