Infoblatt Vom Erdöl zum Endprodukt


Übersicht über Verfahren zur Herstellung von Petrochemikalien aus Rohöl (Destillation, Cracken, Raffinieren und Reformieren)



Vom Erdöl zum Endprodukt (Klett)

Erdöl oder vielmehr Erdölprodukte bilden heute eine Basis der technischen Zivilisation, ohne die viele Produkte nicht zu realisieren wären und unser Lebensstandard stark reduziert wäre.
Die zugehörige Industrie bezeichnet man als Petrochemie, die sich mit der Herstellung und der Weiterverarbeitung der aus Erdöl und Erdgas gewonnenen organisch-chemischen Grundstoffe (Petrochemikalien) beschäftigt. Bei der Herstellung von Petrochemikalien aus Rohöl in der Raffinerie sind die wesentlichen Verfahren Destillation, Cracken, Raffinieren und Reformieren, die folgend kurz beschrieben sind.


Destillation

Bei diesem Verfahren nutzt man die unterschiedlichen Siedetemperaturen der im Rohöl enthaltenen Stoffe für eine erste Trennung.
Zuerst wird das mittels Pipelines oder Großtankern zur Raffinerie transportierte Rohöl auf 350 °C erhitzt und teilweise verdampft (destilliert). Das dabei entstehende Flüssigkeits-Gas-Gemisch wird in einen Fraktionierturm (fraktionieren = aufteilen) geleitet, wo es in verschiedenen Etagen je nach Siedetemperatur (Molekülgröße) kondensiert und in Gase, Mitteldestillate (enthält Benzine), Schmieröle und atmosphärischen Rückstand getrennt wird. Gase werden am Kopf des Turmes abgezogen, schwerere Fraktionen im Mittelteil, schwere Fraktionen bleiben auch bei hohen Temperaturen flüssig und fließen nach unten (in den Sumpf) ab. Im Fraktionierturm herrscht Normaldruck. Dieses Verfahren wird deshalb auch "atmosphärische Destillation" genannt. Daneben existiert die "Vakuumdestillation", bei der die Siedetemperatur der schwer siedenden Fraktionen um 100 °C herabgesetzt wird.


Konversion (Cracken)

Da die Nachfrage nach leichten Produkten (wie Benzin) wesentlich höher ist als die nach schweren Produkten, werden durch Cracken langkettige Moleküle gespalten, um aus schweren Rohölbestandteilen leichte zu machen. Für diese Umwandlung existieren verschiedene Verfahren:
Beim thermischen Cracken wird der gewünschte Effekt durch kurze Überhitzung der eingesetzten Destillationsrückstände unter Druck erreicht. Hohe Temperaturen bringen die großen Moleküle in so starke Schwingungen, dass ab etwa 360 °C die Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen zerbrechen. Dieser Vorgang spielt sich in den Röhren eines Spaltofens bei 500 °C ab. Ergebnis des thermischen Crackens ist wie bei der Rohöldestillation eine Produktpalette, die von Gasen über Mitteldestillate bis zu schwerem Destillationsrückstand reicht.
Ein wesentlich höheres Umwandlungsergebnis als beim thermischen Cracken erreicht man mit dem katalytischen Cracken. Der Spaltvorgang erfolgt bei etwa 500 °C im Spaltofen in Gegenwart eines Katalysators. Als Einsatzstoffe kommen bei diesen Verfahren überwiegend Rückstände aus der Rohöldestillation bzw. Vakuumdestillation in Frage. Ergebnis des katalytischen Crackens ist ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen, das vom gasförmigen Methan bis zum Schweröl reicht. Dieses muss in einer weiteren Aufbereitung (z. B. durch erneute Destillation) in seine Bestandteile zerlegt werden.


Entschwefeln

Schwefel ist im Rohöl in sehr verschiedenen Formen enthalten, vom Schwefelwasserstoff bis hin zu sehr komplexen Molekülstrukturen. Besonders die aus Rohöl mit hohem Schwefelgehalt gewonnenen Produkte müssen entschwefelt werden. Dies geschieht im Hydrofiner. Das Rohöl wird mit Wasserstoff vermischt und bei Temperaturen von etwa 400 °C und Drücken von 25 bis 70 bar über einen Katalysator geleitet. Dabei verbindet sich der Wasserstoff mit dem Schwefel aus dem schwefelhaltigen Produkt. Der hierbei entstehende Schwefelwasserstoff wird einer sogenannten Claus-Anlage zugeführt, wo unter teilweiser Verbrennung eine Umsetzung in Elementarschwefel und Wasser erfolgt.


Reformieren (Veredeln)

Im Reformer wird Schwerbenzin aus der Destillation erneut erhitzt und unter Druck in mehrere, hintereinander geschaltete Reaktoren geleitet. Bei diesem Prozess entstehen in Gegenwart eines Katalysators aus niedrigoktanigen, nicht für Motorkraftstoffe geeigneten Molekülen hochoktanige. Das Ergebnis heißt "Reformatbenzin".


Erdölprodukte

Praktische Verwendung finden die Erdölprodukte vorrangig als Heizmaterial für Kraftwerke, Industrieanlagen und private Haushalte, als Kraftstoffe für Autos, Schiffe und Flugzeuge, als Schmierstoffe für Maschinen aller Art und als Grundstoffe für die Herstellung von Kunststoffen, Textilien, Waschmitteln, Klebstoffen, Lacken und Farben sowie pharmazeutischen und kosmetischen Erzeugnissen.
Im folgenden wird der Weg vom Rohöl durch verschiedene Anlagen der Raffinerie bis zum Zwischen- bzw. Endprodukt beschrieben.


Gasfraktion

Im Fraktionierturm gewonnene Gase bestehen aus Methan, Ethan, Propan und Butan. Sie werden in Flüssiggas-Trennanlagen wiederum durch Destillation voneinander getrennt. Methan und Ethan finden Verwendung als Raffinerieheizgas, Propan und Butan werden als Flüssiggase weiterverwendet.


Fraktion der Mitteldestillate

  • "Reformatbenzin" wird in einer Mischanlage zu Motorenbenzin, Dieselkraftstoff oder leichtem Heizöl verarbeitet. Dabei werden Hilfsstoffe zugesetzt. Dies sind z. B. beim Motorenbenzin Stoffe zur Verhinderung von Eisbildung im Vergaser, von Ablagerungen im Einlasssystem und zur Vermeidung von Reaktionen mit dem Luftsauerstoff bei längerer Lagerung, beim Diesel zur Fließverbesserung, zur Erhöhung der Leitfähigkeit und Einstellung der Schmierfähigkeit.
  • Beim Cracken ensteht aus Rohbenzin (Naphta) Ethen, Propen und Crackbenzin, die als Ausgangsstoffe zur Synthese von Kunststoffen, Harzen, Synthesefasern, Synthesekautschuk, Weichmachern und Düngemitteln eingesetzt werden.
  • Der in der Claus-Anlage entstandene Schwefel wird von der chemischen Industrie übernommen und hauptsächlich zu Schwefelsäure für Düngemittel verarbeitet.
  • Im Fraktionierturm entsteht ohne weitere Verarbeitung Petroleum, das früher als Leuchtöl, Heilmittel, Brennstoff, Lösungsmittel und Reinigungsmittel verwendet wurde, heute jedoch zum größten Teil als Flugzeugtreibstoff (Kerosin) zum Einsatz kommt.



Schmierölfraktion

Diese Fraktion wird getrennt in Schmierstoffe (für Maschinenteile) und Paraffine (Kerzen-, Bohnerwachsherstellung).


Rückstand

Die undestillierbaren Rückstände, auch Bitumen genannt, verwendet man als Anstrichstoffe, im Bautenschutz, als Vergussmasse, als Isoliermaterial und hauptsächlich im Straßenbau (Asphalt) und als Dachpappe, wobei Zusätze die Langlebigkeit des Stoffes erhöhen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Maria Zeike
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 11.06.2012