Infoblatt Weidewirtschaft


Weidewirtschaft als Form der Landwirtschaft und ihre Formen



Kühe auf der Weide (Hoch)

Als Weidewirtschaft werden Formen der Landwirtschaft zusammengefasst, bei denen die Viehweide die wirtschaftliche Basis darstellt. Allgemein wird zwischen stationärer Weidewirtschaft und Weidewechsel unterschieden. Die stationäre Weidewirtschaft kann intensiv oder extensiv ausgerichtet sein. Weidewechsel ist notwendig, wenn aufgrund von Überweidung oder mangelnder Niederschläge die Futtergrundlagen nicht mehr genügen. Von Fernweidewirtschaft wird dann gesprochen, wenn teilweise weit entfernt gelegene Weidegründe aufgesucht werden. Zwei bekannte Formen der Fernweidewirtschaft sind der Nomadismus und die Transhumanz. Die Almwirtschaft der Alpen ist eine mit Stallhaltung verbundene Weidewirtschaft.


Nomadismus

Eine der ältesten Wirtschaftsformen ist der Nomadismus. Dieses Wanderhirtentum ist in der Regel durch ständiges, meist saisonbedingtes zyklisches Wandern ganzer Stämme von Viehhaltern gekennzeichnet. Der Ausgleich saisonaler Mängel an Futter und Trinkwasser erfolgt durch Verlegung der Viehherden unter Mitnahme der beweglichen Habe. So ist der Nomadismus vor allem in Trockengebieten wie Steppen und Halbwüsten verbreitet. Von Zentralasien bis Nordafrika sind je nach naturräumlicher Ausprägung die Sonderformen Bergnomadismus, Wüstennomadismus und Steppennomadismus zu finden. Beim Vollnomadismus ist jegliche Niederlassung temporär, wobei der Rhythmus der Wanderungen von 1 - 2 Tagen bis zu 10 - 20 Jahren dauern kann. Der Vollnomadismus ist die ausgeprägteste Variante. Die Wirtschaftsgrundlage ist hierbei ausschließlich die Viehhaltung. Diese Wirtschaftsweise hat besondere Auswirkungen auf die ganze soziale Gruppe, die Nomaden. Der Halbnomadismus unterscheidet sich vom Vollnomadismus dadurch, dass nicht die ganze Sippe mit den Herden mitwandert. Stattdessen bewohnen die Halbnomaden Dauersiedlungen, in denen teilweise auch Ackerbau betrieben wird. Zu den nomadischen bzw. teilweise nomadisch lebenden Völkern zählen beispielsweise die Tuareg (Ost-Sahara), die Tswana (südliches Afrika), die Saami (Rentiernomaden in Nordeuropa) und die Puna (Südamerika).
Eine Sonderform ist der Wüstennomadismus, der – nomen est omen – in den Wüstengebieten auftritt. Beim Wüstennomadismus müssen die Hirten besonders ausgedehnte Strecken zurücklegen. Deshalb sind die Nomaden auf marschtüchtige Tiere wie Kamele angewiesen. Lange Durststrecken sind zu überstehen und darum ist Kleinvieh hier kaum anzutreffen. Die Steppennomaden haben ihren Lebensraum dagegen in den Steppen. Es überwiegt die Schaf-, Ziegen- und Pferdehaltung. Unter günstigen Wuchsbedingungen ist auch eine bescheidene Rinderhaltung möglich. Zu den Steppennomaden gehören z. B. Mongolen, Kirgisen und Berber. Im Gegensatz zum horizontalen Flächennomadismus wird der Bergnomadismus auch als vertikaler Nomadismus bezeichnet. Die Wanderungen der Hirten finden zwischen den Winterweiden der Täler bzw. Steppen und den sommerlichen Hochweiden der Gebirge statt. Der Bergnomadismus darf aber nicht mit der Transhumanz verwechselt werden.
Die uralten Lebensweisen des traditionellen Nomadismus werden v. a. in den Industrie- und Schwellenländern immer weiter zurückgedrängt. Viele Völker sind in ihrer Existenz oder zumindest in ihren herkömmlichen Lebensweisen bedroht, da sie ihre Landnutzungsrechte nur schlecht gegen ihre sesshaften Nachbarn durchsetzen können. Häufig wurde auch von staatlicher Seite versucht, den Nomadismus zu kontrollieren bzw. zu unterbinden, in dem die Hirten zur Sesshaftigkeit gezwungen werden. Willkürliche Grenzziehungen, Ausweitung des Ackerlandes und der Forstgebiete, Mechanisierung der Landwirtschaft und moderne Verkehrsmittel tragen zum Verschwinden des traditionellen Nomadismus bei. Heute findet der Nomadismus häufig zielgerichtet entlang von vorgeschriebenen Routen statt, in diesem Fall entwickelt sich der Nomadismus in Richtung der Transhumanz. Trotzdem hat sich der Nomadismus in vielen Teilen der Erde als erstaunlich anpassungsfähig erwiesen, z. B. als Dienstleistungsnomadismus.


Transhumanz

Transhumanz (Transhumance) ist eine weitere, sehr alte Form der Fernweidewirtschaft. Bei Transhumanzen werden große Entfernungen zurückgelegt. So finden die jahreszeitlichen Wanderungen zwischen im Winter schneefreien Niederungen und sommerlichen Höhenzonen eines oder mehrerer Gebirgszüge statt. Vor allem im Mittelmeerraum war bzw. ist mittlerweile wieder diese Form des Hirtentums verbreitet. Aber auch in den angrenzenden Gebieten des Atlasgebirges bis zum Kaukasus. Unterschiede zum Nomadismus ergeben sich dadurch, dass teilweise die Besitzer der Herden nicht mitwandern, sondern Fremdhirten diese Funktion wahrnehmen. Außerdem sind die Transhumanzen nur saisonbedingt und spielen sich in engen Räumen ab. Zwar werden große Entfernungen überwunden, aber die Hirten folgen immer der gleichartigen Route und kehren regelmäßig in ihre Heimatorte zurück. Bei der Transhumanz wird im Gegensatz zur Almwirtschaft das Vieh nicht eingestallt.
Sei dem 19. Jahrhundert ist die Transhumanz aus ähnlichen Gründen wie beim Nomadismus rückläufig und aus manchen Gebieten sogar ganz verschwunden. Vor allem die Mechanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft haben dazu beigetragen. Das Wanderweidetum im mediterraneren Raum hat in jüngster Zeit jedoch eine Renaissance erfahren. So fördert die Europäische Union durch die Europäische Charta für Transhumanz diese Form des Hirtentums. Seitdem ziehen in alter Tradition wieder Hirten mit ihren Schafherden durch ganz Spanien. Früh im Jahr werden die grünen Flächen im Norden beweidet und im Herbst geht es gen Süden, wenn die saisonalen Regenfälle dort für grüne Wiesen sorgen. Durch die extensive Beweidung werden die Flächen vor der Verbuschung bewahrt und eine Jahrhunderte alte Kulturlandschaft bleibt erhalten.


Almwirtschaft

Eine spezifische Form der Gebirgsweidewirtschaft ist die Alm- oder auch Alpwirtschaft. Das Ziel ist die Vergrößerung der Futterbasis. Im Winter werden die Tiere eingestallt und im Sommer auf die von den Hofstellen getrennt geführten Weiden gebracht. Seit 3000 v. Chr. wird diese Form der Weidewirtschaft bereits betrieben. Zunächst wurden die natürlichen, baumfreien Flächen zwischen der Waldgrenze nach unten und bis zur spärlich werdende Vegetationsdecke nach oben als Weideflächen genutzt. In weiten Teilen von europäischen Hochgebirgen wird das Landschaftsbild durch die Almwirtschaft geprägt. So wäre der überwiegende Teil der Nordalpen und der westlichen französischen Pyrenäen ohne die saisonale Beweidung bis auf ca. 1.500 Meter durchgehend bewaldet. Bis Mitte der 1970er Jahre verlor die Almwirtschaft im Rahmen des gesamtwirtschaftlichen Strukturwandels an Bedeutung. Die Bewirtschaftung vieler Almen wurde aufgegeben. Seit Mitte der 1990er Jahre wird die traditionelle Bergbauernwirtschaft durch die Europäische Union gefördert, wobei der Schwerpunkt auf der Pflege der vorhandenen Flächen liegt.


Literatur

Leser, H. (Hrsg.) (1997): Wörterbuch Allgemeine Geographie.- München.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 03.03.2012