Infoblatt Shanghai


Shanghai - Boommetropole am Jangtsekiang



Pudong (Egbert Brodengeier)


Fläche und Einwohner

Fläche: ca. 6.300 km² Die Stadt ist auf Alluvialböden des Jangtse-Deltas errichtet und befindet sich somit auf ausschließlich flachem Gelände.
Einwohner (2008): ca. 18,8 Mio (einschließlich ländlicher Vorstadtbezirke); im Vergleich die Hauptstadt Beijing: 15,5 Mio.
Zur Stadt gehören die drei Inseln Chongming (drittgrößte Chinas), Changxing und Hengsha.


Lage und Bedeutung

Shanghai zeichnet sich durch eine außerordentlich günstige Lage aus. Die Stadt liegt etwa in der Mitte der chinesischen Küstenlinie. Des Weiteren fließt nördlich der Stadt der Jangtsekiang ins Ostchinesische Meer, also in den Pazifik. Somit ist Shanghai das Tor, das nach Zentral- und Nordchina führt und entsprechend ein sehr großes Hinterland bedient. Durch den Bau des Drei-Schluchten-Staudammes am Jangtse profitiert die Stadt zusätzlich.
Wie schon zu Kolonialzeiten ist Shanghai auch heute wieder die wichtigste Industrie- und Handelsstadt Chinas.
Shanghai steht als Sinnbild für die Modernisierung und den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas. Denn wie sonst nirgends, spiegelt sich hier die atemberaubende Dynamik des Riesenreiches in einer rasanten Veränderung des Stadtbildes und in einem tiefgreifenden Wandel der Wirtschaftsstruktur zugunsten des Tertiärsektors wider.



(Klett)


Stadtplan

Der Huangpu-Fluss teilt die Stadt in einen östlichen Teil (Pudong) und einen westlichen Teil (Puxi).
Eine Schiffsfahrt auf dem Fluss kommt einer Zeitreise gleich: Auf der westlichen Uferseite erblickt man den "Bund", der mit seinen Bauten aus den 1920er und 1930er Jahren noch koloniale Zeiten atmet und gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, blitzt und blinkt das ultramoderne China – die Hochhauskulisse von Pudong mit seinen beiden Wahrzeichen: dem 468 Meter hohen riesigen Fernsehturm, dem 88-stöckigen Jin Mao Tower (420 m) mit Aussichtsplattform im obersten Stockwerk und dem Shanghai World Financial Center mit 492 Metern.


Geschichte - Shanghai, ein Kind des Opiums

Die Überschrift deutet es an: Das moderne Shanghai ist eine Schöpfung der Kolonialmächte. Der Vertrag nach dem Opiumkrieg (1839 - 1842) zwang das Kaiserreich den Hafen Shanghais für den Außenhandel zu öffnen und Ausländern das Recht der Niederlassung zu gewähren (erst den Briten, später auch den Amerikanern und den Franzosen). Hundert Jahre lang lag dann der größte Teil der Stadt als "Pachtgebiet" in den Händen der Kolonialmächte, aufgeteilt in sog. Konzessionen. In der Blütezeit zwischen 1900 - 1930 entstanden Handelshäuser, Bankpaläste, Villen, Clubs und Vergnügungszentren mit Teehäusern, Opiumhöhlen, Spielhöllen und Bordellen. Am "Bund", der legendären Uferpromenade, ist mit den Prachtbauten im europäischen Stil das Ambiente des kolonialen Shanghai noch konserviert.
Seinen Ruf als Handelszentrum erlangte Shanghai in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mehr als die Hälfte des gesamten chinesischen Außenhandels konzentrierte sich auf diesen Standort. In diese Zeit fällt auch die Blüte des Opiumhandels. Diese Konzentration des Handels ließ natürlich das Bankgeschäft nachrücken, sodass Shanghai zu der Zeit auch wichtigstes Finanzzentrum Chinas wurde.
Nach der Jahrhundertwende wandelte sich die Wirtschaft Shanghais: Die Stadt stieg mit 50 % der chinesischen Industrieproduktion zum industriellen Zentrum Chinas auf. Die Industrialisierung ging mit großen Zuwanderungswellen einher. Die Einwohnerzahl Shanghais stieg erheblich.
Die Besetzung durch die Japaner (1937 - 1945) legte Handel und Industrie lahm. Den Kommunisten, die 1949 die Macht übernahmen, passte diese weltoffene Stadt mit europäischem Gepräge nicht ins "chinesische Konzept", sie stellte gewissermaßen eine Anomalie im Land dar. Das "Sündenbabel" Shanghai musste von Prostitution, Spielhöllen und Opiumhandel bereinigt werden. Wirtschaftlich wurde die einst pulsierende, dynamische und kosmopolitische Metropole in den Folgejahren bewusst ausgebremst Stattdessen wurde die Ansiedlung von Schwerindustrie forciert. Die Staatsbetriebe mussten ihre lokalen Gewinne und Steuern an die Zentralregierung abführen. Nach dieser Phase der Vernachlässigung Shanghais durch die kommunistischen Machthaber begann Mitte der 1980er Jahre unter dem damaligen Bürgermeister Jiang Zemin die ökonomische Revitalisierung der Stadt. Wirtschaftlichen Aufschwung brachte die Ausweisung von wirtschaftlichen Entwicklungszonen innerhalb der Stadt. Die größten Erwartungen setzt man in die erst 1990 ausgewiesene und hochtechnologisch orientierte Entwicklungszone Pudong New Area – auf der Ostseite des Huangpu gelegen.
Seit dieser Zeit erfolgt ein radikaler Umbau und eine Erweiterung Shanghais, namentlich durch die letztgenannte Entwicklungszone Pudong. Die Ansiedlung vor allem zukunftsträchtiger Industrien und der Zufluss von ausländischem Kapital werden als Motor der Modernisierung Shanghais angesehen. Um den unzähligen modernen Bauten aus Beton, Stahl und Glas Platz zu schaffen, muss vielerorts der koloniale Baubestand weichen. Auch vor dem Abriss der Altstadt mit ihren einfachen einstöckigen Gebäuden und engen Gassen, die mit ihrem Charme Symbolwert für das alte Shanghai haben, schreckt man nicht zurück.



(Klett)


Pudong - die Zukunftsvision Chinas

Shanghais Stadtrat deklarierte 1990 die gesamte Fläche im Osten des Huangpu-Flusses zur Sonderwirtschaftszone: Pudong New Area (siehe obiger Stadtplan).
Schon flächenmäßig gesehen nimmt diese größte chinesische Entwicklungszone eine Sonderstellung ein: Mit etwa 1.210 km² ist sie größer als die heutige Kernstadt. Auf der erschlossenen Fläche Pudongs sind ein modernes Finanz- und Handelszentrum, High-Tech-Park, Industriegebiete und eine Freihandelszone angesiedelt.
Die Wirtschaftszone Pudong genießt die politische und finanzielle Unterstützung der Zentralregierung. So kann Pudong z. B. mit Steuervorteilen Investoren anlocken. Gefördert werden vor allem High-Tech und kapitalintensive Unternehmen, z. B. Automobilproduktion, Computer- und Mikroelektronik, Haushalts- und Unterhaltungselektronik, Biotechnologie und Telekommunikation. Sonderwirtschaftszone heißt vor allem Öffnung für ausländische Investitionen. Da China der größte Wachstumsmarkt der Welt ist, besteht ein großer Anreiz für alle Industrienationen, in Pudong präsent zu sein. Im Jahr 2000 hatten sich bereits 6.635 ausländische Firmen in Pudong angesiedelt, sie gelten als Motor der Entwicklungszone. Vertreten sind amerikanische Firmen wie GM, Intel, GE (General Electric Corporation), Bell und Kodak, die japanischen Elektronikriesen Sony und Sharp, deutsche Firmen wie Siemens, BASF, VW und Bayer. Bislang investierten ausländische Unternehmen geschätzte 40 Milliarden Dollar in Pudong. Im Jahr 1999 fielen die Investitionen erstmals zugunsten der Dienstleistungsbranche aus (57,5 % der Investitionen). Dennoch nimmt der Industriesektor im Vergleich zur westlichen Welt einen hohen Stellenwert in Shanghai ein.
Mit welcher Dynamik und Rasanz Pudong aus dem Boden gestampft wird, ist mit menschlichen Vorstellungen zum Teil kaum fassbar: Baustellen gebären wie im Zeitraffer Brücken, Hochstraßen, Hochhäuser und Glaspaläste. Es gibt inzwischen 638 Wolkenkratzer und täglich werden neue Gerüste hochgezogen. Die höchsten Gebäude Shanghais, sämtlich über 200 m hoch und erst in den letzten Jahren gebaut, bereichern nun jede Statistik der Wolkenkratzerrekorde in der Welt. Die Hochhauskulisse wird beherrscht vom 468 m hohen Fernsehturm (Oriental Pearl Tower), dem 420 m hohen Jin Mao Tower und dem 2008 fertiggestellten Financial Center (429 m). Letzteres galt als höchstes Gebäude in China, bis es 2010 von dem 600 Meter hohen Canton Tower in Guangzhou übertroffen wurde. Doch derzeit wird in Shanghai bereits an einem neuen Wolkenkratzer gebaut: De Shanghai Tower soll dann eine Höhe von 632 Metern erreichen und bis 2014 fertiggestellt sein. Die neue Skyline brachte Pudong die Bezeichnung "Manhattan des Ostens" ein. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob der Plan, Shanghai mit der Superlative Pudong in die Vorderfront der Welt zu katapultieren, aufgeht.



Shanghai / Pudong bei Nacht (Benjamin Hennig)


Infrastruktur der Stadt

Man sagt, Shanghai besitzt mit seinem ausgeklügelten System von Autobahnen, Ringstraßen und Hochstraßen sowie seiner U-Bahn die beste Infrastruktur in China. Mit dem stetig anwachsenden Verkehrsstrom aufgrund des Ausbaus der Entwicklungszone Pudong, welche gegenüber der "eigentlichen" Stadt auf der Ostseite des Flusses Huangpu liegt, war das Fährsystem schon bald überlastet. Vier gigantische Brücken und drei Tunnel (Straßen- und U-Bahntunnel) wurden gebaut und verbinden nun die beiden Stadtteile.
Neben dem alten Flughafen im Westen der Stadt entstand ein neuer internationaler Großflughafen an der Mündung des Jangtsekiang. Im Dezember 2002 hatte der Transrapid seine "Jungfernfahrt" in China. Er fungiert als Flughafenzubringer zwischen dem neuen internationalen Flughafen und dem Shanghaier Finanzzentrum Lujiazui. Die Magnetschwebebahn legt die 30 km lange Strecke in nur acht Minuten zurück. Große Telekommunikationsprojekte, der Bau von Wasserwerken und Kraftwerken sowie der Ausbau eines modernen Tiefwasserhafens in der Freihandelszone werden in kurzfristigen Etappen, einer Art "Fünfjahresplänen", realisiert.
Ein Beispielprojekt ist der Shangzhong Straßentunnel über den Huangpu, der 2008 für den Verkehr geöffnet wurde und mit acht Fahrspuren und ca. 2.800 Metern Durchmesser einer der größten seiner Art ist.


Shanghai - die Stadt der Wanderarbeiter

Der anhaltende wirtschaftliche Boom der Stadt lockt ein Millionenheer von Wanderarbeitern an. 2008 wurden ca. 5,2 Millionen Zuwanderer mit temporärer Aufenthaltserlaubnis registriert. Die Dunkelziffer der temporären Einwohner dürfte wesentlich höher liegen. Manche Schätzungen sprechen heute sogar von ca. 6 Millionen sich in Shanghai aufhaltenden Menschen ohne dauerhaften Wohnsitz. Die Wanderarbeiter kommen aus dem Landesinneren fernab der Städte und des Wirtschaftsbooms. Sie arbeiten auf den unzähligen Baustellen Shanghais, als Fensterputzer oder in der Straßenreinigung. Ein Großteil ihres hart erarbeiteten Einkommens ernährt ihre im Hinterland lebende Familie. Der Druck auf die ohnehin schon überlastete Infrastruktur der Stadt erhöht sich durch die Wanderarbeiter zusätzlich.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Claudia Fischer, Wiebke Hebold
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 31.05.2012