Infoblatt Neolithische Revolution


Neolithische Revolution - Übergang zu Ackerbau und Viehzucht



Europa: Ausbreitung des Ackerbaus (Klett)


Definition

Eine der tief greifendsten Veränderungen in der Menschheitsgeschichte überhaupt wird oft als die "neolithische Revolution" (aus dem Griech. = jungsteinzeitliche Revolution) bezeichnet. Mit diesem Begriff benannte erstmals der britische Wissenschaftler Vere Gordon Childe (1892 - 1957) den Übergang vom Jagen und Sammeln der Altsteinzeit zu Pflanzenanbau und Viehzucht in der Jungsteinzeit. Mit dem gezielten Anbau von Pflanzen und der Zucht von (Haus-)Tieren lebte der Mensch nicht mehr nur von dem, was er in der Natur vorfand, sondern er griff selbst in die Natur ein und veränderte sie. Aus umherziehenden Jägern und Sammlern wurden sesshafte Bauern. Doch die bäuerliche Lebensweise setzte sich nicht von heute auf morgen durch und ging auch nicht zentral von einem Ort aus. Vielmehr gingen die Menschen an vielen Stellen der Erde und zu ganz verschiedenen Zeiten zu Ackerbau und Viehzucht über. Dieser Prozess dauerte insgesamt mehrere Jahrtausende. Darum halten die meisten heutigen Wissenschaftler den Begriff "Neolithische Revolution" für irreführend und betonen lieber die langsame Ausbreitung der neuen Lebensweise.


Auswirkungen

Den Anstoß zum Wechsel der Lebensweise hatte das Klima gegeben. Die Eiszeit, die vor gut 9.600 Jahren endgültig endete, musste als vorerst letzte Kaltzeit der Erdgeschichte einer wärmeren Epoche weichen, die bis heute anhält. Auf der Erde stiegen die Temperaturen, die Gletscher schmolzen ab und wichen nach Norden zurück, sodass vor etwa 6.000 Jahren schließlich auch Skandinavien weitgehend eisfrei war.

Gleichzeitig veränderte sich die Vegetation, denn mit dem Eis wich auch die baumlose Tundra nach Norden zurück. An ihre Stelle traten Wälder, zunächst hauptsächlich aus Nadelbäumen, später auch aus Laubbäumen. Gleichzeitig verschwanden aus den eisfreien Gebieten die großen Herden von Rentieren, Mammuts und Wildpferden, die bis dahin zu einem erheblichen Teil die Nahrungsgrundlage der Menschen gebildet hatten. Aufgrund der tief greifenden Veränderungen in Klima, Fauna und Flora war der Mensch vor die Notwendigkeit gestellt, sich neue Nahrungsquellen zu erschließen.

Vor etwa 10.000 Jahren hatte der Mensch fast alle Vegetationsgebiete der Erde besiedelt. Zunächst begannen die Menschen mit Ackerbau und Viehzucht weit entfernt von den Rändern der Gletscher. Und da das Eis nicht überall gleichzeitig, sondern in verschiedenen Regionen zeitlich versetzt abschmolz, ist die neue Lebensweise in mindestens drei Gegenden der Welt unabhängig voneinander entstanden - in Mittelamerika, in Südchina und im vorderen Orient. Von diesen drei Ursprungsgebieten aus haben sich Ackerbau und Viehzucht über die ganze Welt ausgebreitet. Das Kerngebiet, von dem aus Ackerbau und Viehzucht nach Europa gelangten, lag im vorderen Orient, in Mesopotamien, Ägypten und am östlichen Mittelmeer. Nachweislich begannen Ackerbau und Viehzucht vor etwa 8.500 Jahren im Zweistromland der Euphrat- und Tigris-Ebene.

Mit dem Ackerbau und der einsetzenden Viehzucht legten die Menschen im klimatisch begünstigten Fruchtbaren Halbmond die ersten dorf- und stadtähnlichen Siedlungen an. Große geschlossene, manchmal auch schon befestigte Siedlungen mit stabilen Hausanlagen lösten die leichten Unterkünfte der Jäger und Sammler ab, weil Ackerbau und Viehzucht den Menschen an feste Orte banden. Er zog nicht mehr als nomadisierender Jäger und Sammler über die Erde, sondern war sesshaft geworden.

Vom mesopotamischen Zweistromland verbreitete sich die neue Lebensweise auf drei Wegen weiter: Zunächst gelangten Ackerbau und Viehzucht von Anatolien (Türkei) aus nach Griechenland (vor ca. 8000 Jahren), dann über den Balkan (vor ca. 7.700 Jahren) bis nach Ost- und Mitteleuropa (vor ca. 6.700 Jahren). Ein zweiter Verbreitungspfad führte entlang der Adria - über die griechischen Inseln und Slowenien bis nach Sardinien (vor rund 7.000 Jahren) und schließlich bis an die Küsten Spaniens und Südfrankreichs (vor ca. 6.500 Jahren). Die dritte Ausbreitungsrichtung von Ackerbau und Viehzucht führte vom Fruchtbaren Halbmond in Richtung Nordosten bis in das Gebiet der heutigen Ukraine.

Überall rodete man das Land, baute auf den neu entstandenen Äckern Hülsenfrüchte und Getreide an, züchtete in den Siedlungen Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine. Die Erfindung des Pfluges, der bald von Rindern oder Pferden gezogen wurde, erleichterte die Arbeit und steigerte die Produktivität. Die höheren Erträge auf den Feldern und die erwirtschafteten Überschüsse machten den Tauschhandel möglich, der wiederum eine größere Transportkapazität erforderte. So rumpelten bald die ersten schwerfälligen, von Tieren gezogenen Holzkarren auf zwei oder vier Rädern durchs Land.

Da die Menschen mehr produzierten als sie selbst verbrauchten, konnten nun auch Vorräte angelegt werden. Für die Vorratshaltung entdeckte der Mensch Ton und Keramik als neue Werkstoffe. Gleichzeitig erlernte er das Töpferhandwerk, brannte feuerfeste Tongefäße, in denen die erwirtschafteten Vorräte lange Zeit haltbar waren. Genauso geschickt wie im Töpfern war der Mensch bald als Korbflechter, Holzschnitzer und Steinmetz. Seit er um den unschätzbaren Nutzen von Metallen wusste, brach er in Bergwerken Erz und verhüttete es anschließend in den ersten Metallgießereien.

Durch das zunehmend arbeitsteilig organisierte und gestaltete Wirtschaftsleben produzierten die Menschen immer mehr Lebensmittel und handwerkliche Güter. Neben dem Tauschhandel entwickelte sich der Fernhandel mit verschiedensten Waren. Dabei war der Feuerstein sowohl als Rohstoff, aber auch als Werkzeug und Waffe lange Zeit das wichtigste Tauschobjekt. In der Folgezeit wurden an seiner Stelle Kupfer und Kupfergeräte, Gold und Bernstein sowie daraus gefertigter Schmuck zu Tauschgegenständen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Klaus-Uwe Koch und Elke Fleiter
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.05.2012