Infoblatt Der Schwarze Tod


Die Pest im Abriss der Geschichte


Definition

Auch wenn der Begriff "Der Schwarze Tod" immer wieder stellvertretend für die Pest als solche angeführt wird und Ausbrüche der Krankheit bereits seit der Antike beschrieben wurden, so bezeichnet er im engeren Sinne die große Pest-Pandemie der Jahre 1347 bis 1352 im mittelalterlichen Europa.
Der Begriff "Schwarzer Tod" stammt allerdings nicht aus der damaligen Zeit, sondern wurde im 16. Jahrhundert erstmalig verwendet, um die schrecklichen Ausmaße der Pest-Plage des 14. Jahrhunderts adäquat zu beschreiben.


Die Pest-Pandemie der Jahre 1347 - 1352



Verbreitung der Pest in Europa und Nordafrika nach Jahren (Klett)


Ursprung und Verbreitung

Der Beginn der großen Pestwelle lässt sich auf das Jahr 1331 zurückführen und dem Gebiet der heutigen Mongolei (damaliges chinesisches Kaiserreich) zuschreiben. Von dort rückte das Bakterium langsam nach Westen vor: 1339 gab es erste Pesttote im heutigen Kirgisien, 1345 im Bereich des Wolgadeltas und der Krim. Von der Krim aus startete die Pest ihren verheerenden Feldzug durch Europa: Der Geschichtsschreibung zufolge lag die Hafenstadt Kaffa (das heutige ukrainische Feodossija) unter der Belagerung der Tataren, die bereits erste Pesttote in ihren eigenen Reihen zu beklagen hatten. Diese schossen sie mit Katapulten über die Stadtmauern Kaffas und sorgten so für eine Massenflucht vieler Einwohner. Da die Hafenstadt in das Handelsnetz genuesischer Kaufleute eingebettet war, benutzten die Flüchtigen hauptsächlich den Seeweg, in Folge dessen die bereits Infizierten wichtige europäische Häfen wie z. B. Messina erreichen konnten. Von Sizilien aus verbreitete sich der Erreger über Genua entlang der südfranzösischen Küste schnell auf das französische Festland.
Zeitgleich dehnte sich die Pest von Venedig über die Alpen Richtung Norden aus. Die Seuche bewegte sich also in einer Zangenbewegung von Südosten und Südwesten kommend nach Norden. Deutschland erreichte die Pestwelle erstmalig im Jahr 1349, wobei die norddeutsche Tiefebene besonders stark betroffen war.
In den Folgejahren bis 1352 hatte sich die Pest binnen lediglich eines halben Jahrzehnts auf annähernd Gesamteuropa (lediglich einige Areale auf dem Gebiet des heutigen Polens, der Tschechei und Belgiens blieben größtenteils ausgespart) ausgebreitet: Die Epidemie war zur Pandemie geworden.


Auswirkungen und Folgen

Der Schwarze Tod raffte ungefähr ein Drittel der europäischen Bevölkerung, entsprechend schätzungsweise 20 bis 25 Millionen Menschen, hinweg. Neuere Erkenntnisse gehen sogar davon aus, dass annähernd die Hälfte aller Europäer während der Pest-Pandemie der Jahre 1347 bis 1352 zu Tode kam.
Maßgeblich betroffen waren die mittelalterlichen Städte, in denen die Pest aufgrund der katastrophalen Hygienebedingungen (größere Menschenansammlungen auf engerem Raum, fehlende Kanalisation und Abfallbeseitigung) besonders vernichtend wüten konnte. Die Tatsache, dass vielerorts ganze Landstriche entvölkert wurden, führte dazu, dass es oftmals nicht einmal mehr genügend Überlebende gab, um die Toten zu bestatten. Diebstähle, Plünderungen und Leichenberge an den Wegesrändern waren an der Tagesordnung: Das öffentliche Leben brach völlig zusammen.
Betroffen waren auch die sozialen Strukturen, die durch die Pest zu zerfallen drohten: Die ausgeprägte Angst vor Ansteckung versagte Familienmitgliedern Pflege und Beistand ihrer pestkranken Angehörigen, die häufig in völliger sozialer Vereinsamung starben.
Wer die Möglichkeit und die finanziellen Mittel besaß, flüchtete in weniger betroffene Gebiete; zeitgleich bezogen von der Pest nicht betroffene Personen leer stehende Häuser Verstorbener.
Die Folge war also nicht nur ein Zusammenbruch des öffentlichen Lebens, sondern auch der familiären und gesellschaftlichen Ordnung.
Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen waren immens: Ein Großteil der Arbeitskräfte starb an der Pest oder konnte seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen. Vielen gesunden Personen schien eine Weiterarbeit in Anbetracht des drohenden Todes sinnlos.
Menschen ergaben sich fatalistisch dem Müßiggang, frönten der Völlerei und feierten ausgelassen, um die mutmaßlich letzten Tage ihres Lebens in vollen Zügen zu genießen. Langfristig und nach dem Abklingen der großen Pestwelle sorgte die arg dezimierte Bevölkerungszahl für eine höhere Nachfrage nach Arbeitskräften, die den Zuzug von außerhalb und damit ein wachsendes Völkergemisch begünstigten.


Erklärungsversuche, Behandlung und Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche

Die Ärzte der damaligen Zeit standen der Krankheit hilflos gegenüber; es gab weder eine wissenschaftliche Erklärung für die Ursache noch eine adäquate Behandlung der Pest. Da herkömmliche Heilverfahren versagten, beschränkte sich die medizinische Behandlung auf die Linderung der Schmerzen und den Versuch, die Ansteckung einzudämmen. Trotz größtmöglicher, wenngleich auch fragwürdiger Vorsichtsmaßnahmen (die Übertragungswege der Krankheit waren damals noch unbekannt – man schrieb z. B. bestimmten Winden die mögliche Ursache zu) machte die Pest auch vor den Ärzten nicht halt.
Da es keine medizinisch fundierte Erklärung für die Pest gab, suchte man die Antwort in der Religion: So galt die Seuche Gläubigen beispielsweise als Vorbote der Apokalypse, der man sich nur durch Sühne entziehen könne. Aus diesem Grund wurde besonders in den armen Bevölkerungsschichten die Selbstgeißelung als Büßertechnik zur Massenbewegung (Flagellanten).
Die Hilflosigkeit, mit der alle Bevölkerungsteile der Pest gegenüber standen, gipfelte in der Suche nach einem Sündenbock, zu der das Judentum auserkoren wurde. Die 1348 aufgekommene Behauptung, Juden hätten Brunnen und Quellen vergiftet und seien somit verantwortlich für die Seuche, führte zu regelrechten Pogromen: Vielerorts in Europa wurden Juden von einer verängstigten und fanatisierten Menge ermordet oder vertrieben. Anderswo mussten sie gemeinsam mit Zigeunern, Ausländern und Behinderten Aufräumarbeiten durchführen, bei denen Pesttote eingesammelt und bestattet wurden.
Da herkömmliche Bestattungen seuchenbedingt verboten waren, setzte man die Opfer der Pest in Massengräbern bei.


Langfristige Auswirkungen und spätere Pestepidemien

Die Pest-Pandemie verursachte eine tief greifende Veränderung der mittelalterlichen Gesellschaft in Europa. Das Massensterben veränderte die sozio-ökonomische Struktur verschiedener Völker nachhaltig. Noch Jahrzehnte nach dem Abflauen der Seuche lagen viele Felder brach und blieben unbewirtschaftet, da nicht genügend Arbeitskräfte für eine Bestellung vorhanden waren. Langfristig führten diese Tatsachen aber auch positive Begleiteffekte mit sich: Unrentable Ländereien wurden aufgegeben, neue Siedlungen gegründet, das Zunftwesen aufgeweicht und die Lohnstruktur veränderte sich, was letztlich mehr Wohlstand in breiteren Bevölkerungsschichten begünstigte.
In den Folgejahren verbesserten sich auch die gesundheitspolitischen Maßnahmen: So wurden Pestlazarette errichtet, das System der Quarantäne eingeführt und Seuchengesetze erlassen, die z. B. unter Androhung hoher Strafen verboten, Pestkranken Nahrungsmittel anzubieten.
Da es auch viele Ärzte unter den Toten zu beklagen gab, wurden Lehrstühle und damit Platz für neues Gedankengut frei. Dennoch gab es bis ins 20. Jahrhundert hinein viele weitere Pestepidemien (die allerdings nie wieder solch verheerende Ausmaße wie die Pandemie der Jahre 1347 bis 1352 erreichten) und es sollte noch bis zum Jahr 1894 dauern, ehe der Erreger der Pest, Yersina pestis, identifiziert werden konnte.


Die Pest heute

In Europa gilt die Pest als besiegt. Doch in anderen Teilen der Welt taucht sie immer wieder auf. Weil die Erreger gegen gängige Antibiotika resistent werden, müssen dringend neue Wirkstoffe entwickelt werden. Dabei ist 2012 ein Fortschritt gelungen, als amerikanische und deutsche Wissenschaftler neue Hemmstoffe gegen die Pest fanden.
Die meisten der heutigen Pestfälle sind auf Ratten zurückzuführen und werden über Stiche infizierter Rattenflöhe auf Menschen übertragen. Madagaskar gilt als ein Schwerpunkt der weltweiten Pestausbrüche: im Jahr 2010 wurden dort 313 Krankheitsausbrüche bekannt. Im selben Jahr verzeichnete man 152 Kranke im Kongo und 27 Fälle in Peru. Weitere Länder verzeichnen nur einzelne Pestkranke.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Nils Wiemann, Dr. Petra Sauerborn
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 17.05.2012