Küste in täglichem Wandel - Die norddeutsche Wattenküste


Auf den zweiten Blick entpuppt sich die vielleicht eintönig braun und langweilig wirkende Wattenküste als ein einzigartiger Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Unter anderem deshalb wurde sie Mitte der 1980er Jahre zum Nationalpark erklärt.

Neben den vielfach verzweigten Rinnen und Prielen haben die Wellen filigrane Rippel marken in den Sand gezeichnet. Auch die üppige Fauna hinterlässt, wie z. B. der Wattwurm Arenicola marina, markante Spuren.

Die wohl erste Beschreibung der deutschen Nordseeküste liefert der römische Schriftsteller und Offizier Gaius Secundus Plinius in seiner Naturgeschichte, in der es unter anderem heißt: „In ungeheurem Andrang stürzt dort in einem Zeitraum von Tag und Nacht zweimal das Meer heran, breitet sich ins Unermessliche aus und bedeckt einen ewig in der Natur strittigen Raum“. Treffend beschreibt Plinius bereits vor rund 2 000 Jahren das zyklische Auftreten der Tide, die für die Formung des Watts von entscheidender Bedeutung ist.

An tidebeeinflussten Flachwasserbereichen wie der deutschen Nordseeküste wird nicht nur Material abgetragen, sondern auch abgelagert, was zur Ausbildung der weiten sandigen und schlickigen Wattflächen führt. Das Wattenmeer in seiner heutigen Form ist das Ergebnis eines seit Jahrtausenden andauernden Landschaftswandels mit einem dynamischen Ablauf von Abrasion und Akkumulation.

Während der Weichseleiszeit verlief die Nordseeküste mehrere hundert Kilometer weiter westlich, doch verlagerte sich die Küste im Zuge des Meeresspiegelanstiegs immer weiter nach Osten. Dabei wurde Material abgelagert und das heutige Wattenmeer wuchs stetig. Noch bis ins Mittelalter hinein waren weite Gebiete zwischen den Nord- und Westfriesischen Inseln Festland, doch verheerende Sturmfluten sorgten für Landverluste. Erst durch moderne Deichbauten konnte die Gefahr verheerender Überschwemmungen minimiert werden.

Dennoch wirken im „amphibischen Übergangsbereich“ nach wie vor die gewaltigen Material umlagernden Kräfte des Meeres, denen sich auch der moderne Mensch trotz größter technischer und finanzieller Aufwendungen immer wieder stellen muss.



Tidenhub in der Nordsee und in der Deutschen Bucht (Klett)


Quelle: 978-3-623-29760-6 TERRA Themenband Physische Geographie
Verlag: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart, Leipzig
Quellendatum: 2010
Seite: S. 124/125
Bearbeitungsdatum: 01.08.2013