Infoblatt Gotthard-Tunnel


Informationen zu den drei großen Tunneln des Gotthardmassivs: Gotthard-Eisenbahntunnel, Gotthard-Straßentunnel sowie der derzeit in Bau befindliche Gotthard-Basistunnel



Neuer Einspurtunnel Ost bei Bodio (Foto: AlpTransit Gotthard AG)

Das Gotthardmassiv befindet sich in den Zentralalpen in der südlichen Schweiz. Durch das Gebirgsmassiv führen bislang zwei Tunnel: der bereits 1882 eröffnete Eisenbahntunnel sowie ein seit 1980 bestehender Straßentunnel. Im Bau befindet sich derzeit eine dritte Querung, der sog. Gotthard-Basistunnel.
Sowohl die Tunnel als auch die in 2.108 m Höhe über den Sankt-Gotthard-Pass führende Straße sind bedeutende Verbindungswege zwischen Nord- und Mitteleuropa und Italien. Der Pass wird seit dem Frühmittelalter intensiv genutzt, bis zur Fertigstellung der Passstraße 1836 bestand die verkehrliche Erschließung jedoch lediglich aus einem grob gepflasterten Saumpfad.
Die sog. Gotthardachse stellt die direkteste Nord-Süd-Verbindung durch die Zentralalpen dar, da sie nur über einen Gebirgskamm führt. Nach Brenner und Mont-Blanc ist sie die drittwichtigste alpenquerende Straßenverbindung.


Gotthard-Eisenbahntunnel

Der Gotthard-Eisenbahntunnel oder auch Gotthard-Scheiteltunnel besteht aus einer einzelnen, doppelspurig ausgebauten Tunnelröhre. Mit dem Bau wurde 1872 begonnen und bereits nach 9 Jahren konnte das Projekt fertiggestellt werden. Der Vortrieb des Tunnels im kristallinen Granit- und Schiefergestein stellte im 19. Jahrhundert eine ungeheure technische Leistung dar, über 170 Bauarbeiter bezahlten diese gefährliche Arbeit jedoch mit dem Leben.
Der 15 Kilometer lange Tunnel ist Teilstück der Bahnstrecke zwischen Luzern und Mailand, sein Bau führte zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in der Region. Wegen enger Kehren und starker Steigungen ist der Betrieb jedoch nicht sehr effizient. So beträgt die Höchstgeschwindigkeit 80 km/h, außerdem benötigen schwere Güterzüge mehrere Lokomotiven. Dennoch wurden allein im Jahr 2000 16,8 Mio. t Güter auf dieser Strecke transportiert.


Gotthard-Straßentunnel

Mit zunehmendem Straßenverkehr stieß die Querung des Sankt-Gotthard-Passes nach dem Zweiten Weltkrieg bald an ihre Belastungsgrenze. Abhilfe sollte hier ein 16,3 km langer Straßentunnel schaffen, mit dessen Bau 1970 begonnen wurde. Seit 1980 können nun stündlich rund 1.500 Fahrzeuge die Tunnelröhre passieren, pro Tag kommen so durchschnittlich rund 20.000 Fahrzeuge zusammen. Im Jahr 2000 wurden hier knapp 1,2 Mio. LKW-Fahrten registriert.
Der Tunnel ermöglichte erstmals einen ganzjährigen Autoverkehr, da die meisten Alpenpässe im Winter gesperrt sind. Als Herzstück der Schweizer Nationalstraße 2 von Basel nach Chiasso und damit der kürzesten europäischen Autobahnverbindung zwischen Hamburg und Sizilien ist die Verkehrsbelastung jedoch groß, was regelmäßig zu Staus an den Tunnelportalen führt. Problematisch ist besonders, dass lediglich eine Spur pro Fahrtrichtung zur Verfügung steht und das Geschwindigkeitslimit aus Sicherheitsgründen bei 80 km/h liegt.
Am 24. Oktober 2001 kam es im Gotthard-Straßentunnel zu einer Brandkatastrophe, bei der elf Menschen, meist durch Ersticken, ums Leben kamen. Auslöser war ein Zusammenstoß zweier LKW etwa zwei Kilometer vom Südportal entfernt. Weitere Autos fuhren in die Unfallstelle. Durch die in Brand geratene Ladung eines LKW, welche aus Reifen und Plastikplanen bestand, kam es zu starker Rauchentwicklung, die die Lüftungsanlage nicht bewältigen konnte. Durch das Feuer entstand stellenweise eine Hitze von bis zu 1.200 °C, welche zum Einsturz der Tunneldecke auf 100 Metern führte. Infolge des Unglücks war der Tunnel für Sanierungsarbeiten zwei Monate gesperrt.
Eine ursprünglich geplante zweite Verkehrsröhre, deren Bau 1994 wegen des erwarteten weiter zunehmenden Verkehrsaufkommens politisch gestoppt wurde, wurde nach dem Unglück als Rettungsweg ausgebaut. Forderungen nach einer zweiten Röhre zur besseren Verkehrsbewältigung und aus Gründen der Sicherheit gibt es jedoch nach wie vor.



Baustelle des Gotthard-Basistunnel bei Faido (Foto: AlpTransit Gotthard AG)


Gotthard-Basistunnel

Derzeit entsteht am Gotthardmassiv ein weiterer Eisenbahntunnel, der nach seiner voraussichtlichen Inbetriebnahme im Dezember 2016 mit 57 Kilometern der längste Tunnel der Welt sein und Erstfeld im Kanton Uri mit Bodio im Kanton Tessin über zwei Tunnelröhren verbinden wird.



Verlauf des Gotthard-Basistunnels (Karte: AlpTransit Gotthard AG)

Erste Überlegungen für dieses Projekt reichen bis ins Jahr 1947 zurück, konkretere Planungen begannen dann 1962. Vor dem Hintergrund des hohen Verkehrsaufkommens im Alpenraum wurde 1992 schließlich der Bau des Basistunnels als Kernprojekt der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) beschlossen mit dem Ziel, die Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene zu forcieren und den zentralen Alpenraum in das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz zu integrieren. Im Norden wird die Verbindung durch den 20 km langen Zimmerbergtunnel, im Süden durch den 15 km langen Ceneri-Basistunnel ergänzt. NEAT umfasst auch den Ausbau einer weiteren Nord-Süd-Verbindung, die sog. Lötschbergachse.
Nach Fertigstellung sollen täglich 200 bis 250 Züge die Strecke nutzen. Die neue Verbindung, welche einen Hochgeschwindigkeitsverkehr mit bis zu 250 km/h ermöglicht, reduziert die Fahrzeit Zürich – Mailand um eine Stunde; die Route ist 40 km kürzer als die heute genutzte. Damit sollen für Reisende optimale Anschlüsse in Zürich an das schweizerische Fahrplansystem Richtung Schaffhausen, Romanshorn, St. Gallen, Biel und Basel sowie nach Deutschland geschaffen werden. Ebenso sollen sich verbesserte Anschlüsse in Mailand für die Züge Richtung Turin, Genua, Venedig, Lecce und Rom ergeben.
Der Doppeltunnel soll eine Verdopplung der Transportleistung auf der Schweizer Nord-Süd-Achse auf 40 Mio. t Güter pro Jahr ermöglichen. Es gab auch Überlegungen, diese Strecke dem Personenverkehr vorzubehalten und den Güterverkehr weiter über die bestehende Eisenbahnstrecke abzuwickeln. Damit wäre aber kaum ein effizienterer Güterverkehr zu realisieren. Die neue Flachbahn durch den Alpenkamm hingegen wird bei einem Scheitelpunkt von lediglich 550 m ü. NN für Güterzüge bis 4.000 t Gewicht nutzbar sein.



Schematische Darstellung des Tunnelsystems (Grafik: AlpTransit Gotthard AG)

Die Bauarbeiten an dem Doppeltunnel begannen 1993 ausgehend von den beiden Eingangsportalen sowie drei Stellen, die zunächst über Zugangsstollen erschlossen wurden (sog. Zwischenangriffe). Die zwei einspurigen Röhren werden mit etwa 180 Querstollen miteinander verbunden. Zwei von außen zugängliche Multifunktionsstellen in Sedrun und Faido dienen der Belüftung, fungieren als Nothalt, erlauben Spurwechsel und beherbergen technische Einrichtungen. Mit allen Quer- und Verbindungsstollen umfasst das Vorhaben insgesamt 151,84 km Tunnelstrecke mit 228 km Schienen, 190.000 Betonschwellen und 2.800 km Kabel für Stromversorgung und Datenübertragung. Verantwortlich für das Gesamtprojekt ist die Alp Transit Gotthard AG, eine Tochtergesellschaft der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Die Gesamtkosten liegen nach derzeitigen Kalkulationen bei 9,74 Mrd. CHF oder umgerechnet rund 7,388 Mrd. Euro.
Der Hauptdurchschlag in der Oströhre erfolgte am 15. Oktober 2010, der Hauptdurchschlag in der Weströhre folgte am 23. März 2011.
Der Vortrieb durch vorwiegend Granit, Schiefer und Gneis, aber auch geologische Störzonen schwächeren Gesteins, erfolgt entweder mithilfe riesiger Tunnelbohrmaschinen mit Bohrkopfdurchmessern von bis zu 9,5 m oder durch Sprengungen (im sog. konventionellen Sprengvortrieb). Je nach geologischen Verhältnissen hat die Tunnelverschalung aus Beton eine Mindestdicke von 30 cm. Die Gebirgsüberdeckung weist stellenweise eine Mächtigkeit von 2.300 m auf. Unterhalb der abgedichteten Tunnelröhren verläuft ein Kanal zum Abführen des Bergwassers. Die Temperaturen im Tunnel liegen bei etwa 35 °C, jedoch soll durch den Kolbeneffekt der durchfahrenden Züge und zusätzliche Lüftungsanlagen eine ausreichende Belüftung erreicht werden. Es gibt Planungen, den Tunnel im Norden evtl. später noch weiter zu führen, um das Gebiet vor weiteren verkehrsbedingten Emissionen zu schützen.


Porta Alpina

Unter dem Projektnamen Porta Alpina soll die Multifunktionsstelle Sedrun zu einem regulären Bahnhof im Berg ausgebaut werden, der durch einen 800 m langen Fahrstuhl und einen knapp ein Kilometer langen Zugangsstollen mit der Außenwelt verbunden werden und damit den Tourismus in der Region stärken soll, da so das abgelegene Surselva-Tal von den Zentren Italiens und der Schweiz schneller erreichbar wäre. Damit hätte die tiefstgelegene Bahnstation der Welt im weltweit längsten Tunnel den höchsten Fahrstuhl der Welt. Das Projekt wurde seitens der beteiligten Partner Kanton Graubünden, Region Surselva und der Gemeinde Tujetsch jedoch im Jahre 2007 auf Eis gelegt, da die veranschlagten Kosten von 50 Mio. CHF ein zu hohes Risiko darstellen.
Bereits heute ist der Baustellentourismus für die Gemeinden im Bereich der einzelnen Baustellen jedoch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor; die Gesamtzahl der Besucher der Informationszentren und Teilnehmer an Baustellenführungen dürfte sich mittlerweile auf mehrere 100.000 belaufen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Sebastian Siebert, Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2006/2011
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 18.11.2011