Infoblatt Talbildung und Talformen


Wie entstehen Täler?



Talformen (Klett)

Flüsse zählen zu den bedeutendsten landschaftsprägenden Kräften, die auf dem Festland wirken. Sie gestalten die Umwelt und lassen dabei tiefe Schluchten und weite Ebenen entstehen. Ihre eigene Gestalt und die durch sie geschaffenen Formen wandeln sich stetig flussabwärts. So ist der Rhein beim Austritt aus dem Bodensee zunächst ein breiter und ruhiger Strom, wenige Kilometer weiter verengt sich jedoch das Tal und er wird zum reißenden Fluss, so beispielsweise der Rheinfall bei Schaffhausen. Fließgewässer nehmen bei der Bewegung von der Quelle zur Mündung Material auf, transportieren es und lagern es an anderer Stelle wieder ab. Dies ist ein dynamischer Prozess, der sich im Verlauf des Flusses zur Mündung wiederholt. Durch das Zusammenwirken von Erosion, worunter der Abtrag von Gestein durch die Arbeit des Flusses verstanden wird, und Hangabtrag entstehen unterschiedliche Talformen. Deren Größe und Form sind von einer Reihe von Parametern abhängig. Dazu zählen:
  • Menge des Abflusses
  • lokale geologische Vorraussetzungen,
  • klimatische Verhältnisse,
  • das Gefälle des Flussabschnittes und
  • die Menge und Art der transportierten Sedimente



Talformen

Haupttypen fluvialer Talformen sind Kerb- und Sohlentäler, wobei weiter in Klamm, Canyon und Muldental differenziert werden kann. Form, Tiefe und Breite der Täler verändern sich talabwärts in Richtung Mündung, da sich auch die oben genannten Parameter wandeln.
Das intensive Einschneiden eines Fließgewässers in Festgestein führt zur Ausbildung einer Klamm. Sie gehört zum Formenschatz der Hochgebirge, wie beispielsweise die Via Mala, eine Klamm des Hinterrheins in den Schweizer Alpen. Aufgrund großen Gefälles und somit hoher Fließgeschwindigkeit des Wassers ist die Tiefenerosion so stark, dass Verwitterung der Hänge und deren Abtrag nicht folgen können. Dadurch weist eine Klamm nahezu senkrechte Felswände auf und ist nur so breit wie ihr Flussbett. Die maximale Tiefe einer Klamm ist durch eine kritische Höhe der Felswände bestimmt. Wird diese kritische Höhe überschritten, kommt es aufgrund der Instabilität der Talhänge zu Felsstürzen und Rutschungen. Dadurch werden die Hänge zurückverlagert, so dass sich die ehemals senkrechten Talhänge verflachen. Hat das Tal nun eine V-Form, so spricht man von einem Kerbtal. Sie sind durch einen starken Materialabtrag auf den Hängen charakterisiert, der mit der Tiefenerosion des Flusses standhält. Eine strukturbedingte Sonderform der Kerbtäler sind Canyons. Bei der Entstehung von Canyons schneidet sich ein Fließgewässer in nahezu waagerecht lagernde Gesteinsschichten ein, wobei die einzelnen Lagen unterschiedliche Festigkeiten besitzen. Weichere Schichten werden durch den Fluss leicht abgetragen, härtere Schichten bilden steile Wände. Dies führt zu "getreppten" Hängen. Imposanteste und bekannteste Erscheinung dieser Art ist der Grand Canyon, das Tal des Colorado Rivers im Westen der USA.
In Talabschnitten, in denen die einschneidende Wirkung des Flusses aufgrund geringeren Gefälles nachlässt, bilden sich Sohlentäler aus. Sie sind gekennzeichnet durch die Ausbildung eines Talbodens, welcher aus mächtigen Flussaufschüttungen bestehen kann. In Sohlentälern schneidet sich der Fluss nicht weiter in die Tiefe ein, sondern "arbeitet" an den Talhängen, diese werden immer weiter zurückverlagert. Innerhalb der Talsohle kann sich der eigentliche Flusslauf verlagern und mäandrieren, so dass die effektive Flusslänge die Tallänge weit übertreffen kann. Muldentäler sind weit verbreitete Talquerprofile, die vorwiegend in den Unterläufen der Flüsse anzutreffen sind. Durch große Sedimentzufuhr von den Talhängen und durch weitere Zuströme aus Nebentälern ist der Fluss nicht mehr in der Lage, das gesamte Material abzutransportieren. Folglich wird die Sedimentfracht innerhalb der Talaue abgelagert, so dass sich ein sanfter Übergang zwischen Hängen und Talsohle bildet.


Topographische Zonen von Fließgewässern

Das Längsprofil eines Flusses lässt sich in Oberlauf, Mittellauf und Unterlauf unterteilen. Gefälle, Abfluss, Fließgeschwindigkeit und Taldimension verändern sich von der Quelle zur Mündung, wobei entlang der Fliessstrecke ein Gleichgewicht angestrebt wird. Dieses Gleichgewicht spiegelt sich in der Balance zwischen Erosion und Sedimentation wider. Mit diesen beiden Prozessen versucht der Fluss den Höhenunterschied zwischen Quelle und Mündung auszugleichen. Die Folge ist eine starke Tiefenerosion im Oberlauf, da hier auch die größten Höhenunterschiede überwunden werden müssen. Resultierende Formen der starken Tiefenerosion sind die Klamm sowie Kerbtäler.
Tritt der Fluss aus dem Gebirgsbereich aus, so verringert sich seine Fließgeschwindigkeit, da das Gefälle abnimmt. Hier im Mittellauf ist die Tiefenerosion nicht mehr dominierender Prozess, Seitenerosion und Ablagerung von Sediment des Flusses kommen hinzu. Die Täler verbreitern sich, in denen der Fluss entweder verwildert fließt (d. h., in er fließt in mehreren Fließrinnen) oder er mäandriert. Mäandrierende, d. h. mehr oder weniger schwingende Flüsse sind heute in Mitteleuropa aufgrund von Flussbegradigungen rar geworden. Der Oberrhein verwilderte sich und mäandrierte auf der gesamten Strecke zwischen Basel und Mainz. Im Zuge von Hochwasserschutzmaßnahmen und der Besiedlung der Flussauen wurde er jedoch im 19. Jahrhundert begradigt und fließt nun in einer geradlinigen Abflussrinne.
Im Unterlauf verringert sich das Gefälle weiter, weshalb hauptsächlich das mitgeführte Material abgelagert wird. Es entstehen sanfte und weite Muldentäler, die bis zu mehreren Zehnern Kilometern breit sein können.


Literatur

Ahnert, F. (1999): Einführung in die Geomorphologie. Ulmer Verlag. Stuttgart.
Goudie, A. (2002): Physische Geographie: eine Einführung. Spektrum Verlag. Heidelberg.
Press, F. & R. Siever (1995): Allgemeine Geologie: eine Einführung. Spektrum Verlag. Heidelberg.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Wolfgang Koppe
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 01.05.2012