Infoblatt SIVAM


SIVAM - Projekt zur Überwachung Amazoniens



SIVAM-Homepage (www.sivam.gov.br)


Was ist SIVAM?

Die Abkürzung SIVAM steht für "Sistema de Vigilância da Amazônia" - System zur Überwachung Amazoniens. Die brasilianische Regierung plant mit Hilfe von Hightech den Amazonasdschungel besser überwachen und illegale Aktivitäten einschränken zu können. Illegaler Holzeinschlag und Goldbergbau, Drogenproduktion- und Handel sowie Guerillaaktivitäten sollen dadurch erschwert werden. Menschenrechtler erhoffen sich von SIVAM eine bessere Kontrolle von Landnutzungskonflikten mit den indigenen Völkern Amazoniens. Gleichzeitig erwarten Forscher wertvolle Informationen über die physische Geographie des Tropenwaldes, die Pflanzen- und Tierwelt sowie das Wetter. Diese Informationen sollen zum Schutz des größten tropischen Regenwaldes der Erde verwendet werden. Das System wurde bereits 1990 geplant und 1992 anlässlich der Rio-Konferenz das erste mal der Öffentlichkeit präsentiert. SIVAM ist der technische Teil des SIPAM-Projektes, welches ganz allgemein den Schutz des Amazonas-Gebietes verfolgt. Zum Einsatz kommen u. a. Erderkundungs- und Wettersatelliten, flugzeuggetragene Infrarot- und Radarsensoren, Luftverkehrs- und Wetterradare, Wetterstationen und -ballons und Umwelt-Messstationen. Drei regionale Koordinationszentren in Manaus, Porto Velho und Belem sollen die über Funk, Telefon oder das Internet gelieferte Informationsflut verarbeiten und analysieren. Die SIVAM-Zentrale befindet sich in der Hauptstadt Brasiliens, Brasilia. Das gesamte Equipment des Systems wurde inzwischen in das System SIPAM (Amazonian Protection System) übertragen.


Nutzen

SIVAM soll der brasilianischen Regierung Informationen über das weithin unbekannte Terrain Amazoniens liefern. Das Gebiet Amazoniens umfasst den brasilianischen Einzugsbereich des Amazonas, dem zweitlängsten Fluss der Erde. Amazoniens Fläche misst über 5,5 Mio. km², seine Grenze ist über 9.000 km lang und grenzt an fünf Staaten. Man erwartet viel von dem System, folgende Punkte stehen ganz oben auf der Liste:
  • Umweltschutz: Verhinderung illegalen Holzeinschlages und Bergbaus, Überwachung der Wasserqualität des Amazonas
  • Informationsgewinnung über die Landnahme und -nutzung im Amazonasgebiet
  • Ausweisung von Gebieten mit ökonomischen und ökologischen Prioritäten
  • Aktualisierung von Kartenmaterial
  • Prävention und Kontrolle von Epidemien
  • Schutz der indigenen Völker Amazoniens
  • Überwachung von Schifffahrt und Waldbränden
  • Aufspüren illegaler Aktivitäten
  • Überwachung des Flugverkehrs



Technologie

Das System SIVAM ist äußerst komplex und besteht aus verschiedensten Technologien, die über moderne Kommunikationsmittel miteinander in Verbindung stehen. SIVAM umfasst derzeit 19 feste und sechs mobile Radarstationen sowie mehrere Überwachungsflugzeuge, die unter anderem mit Infrarotkameras ausgestattet sind. Die flugzeuggetragenen Infrarotsensoren sind in der Lage, Menschen und Kraftfahrzeuge auch unter einem dichten Blätterdach oder in der Nacht aufzuspüren. Dadurch sollen illegale Aktivitäten unterbunden werden. Die Flugzeuge werden dazu rund um die Uhr Patrouillen über dem Dschungel fliegen. Ferner gehören zum System die Empfangsstationen für sechs Überwachungssatelliten sowie zehn Wetterradare, ferner 14 Blitzsensoren und Ballons mit Sensoren für Umweltdaten. Die Satelliten können zeitnah Aufschluss über illegale Baumfällungen geben, denn mit ihren Radarsensoren blicken sie selbst durch dicke Wolkenschichten und Nebel hindurch. Zusätzlich geben 297 meteorologische Mess-Stationen und Wassersensoren rund um die Uhr Angaben über Wasserstand und Wasserqualität der Urwaldflüsse. Im Amazonasbecken wurden 940 teils mobile Telekommunikationseinheiten mit Telefonen, Faxgeräten und Internetanschlüssen verteilt. Die einzelnen Sensoren werden über Kommunikationssatelliten mit dem zentralen Kontrollsystem verbunden.


Rolle der USA

Der US-amerikanische Rüstungskonzern Raytheon unterzeichnete 1997 einen Vertrag mit der Regierung Brasiliens. Demnach fungiert Raytheon bei SIVAM in einer fragwürdigen Doppelrolle: Er ist sowohl Kreditgeber von 240 Mio. US-Dollar (neben der US-amerikanischen Export-Import-Bank) als auch Auftragsempfänger für die Geräte und Servicedienstleistungen. Das gesamte System stand noch bis Ende 2004 unter der Kontrolle von Raytheon - so gelangten wichtige Fernerkundungs-Daten in den Besitz des Konzerns. Denkbar ist nicht nur eine Verwendung für eine hochgenaue Kartierung Amazoniens, sondern auch für die Gewinnung von relevanten Informationen über Bodenschätze. Das stärkt die US-Verhandlungsposition, wenn es in der Zukunft einmal um die Ausbeutung derselben gehen sollte. Zusätzlich sind die USA schon seit längerem im Rahmen des "Kampfes gegen den Terror" in den Nachbarstaaten Kolumbien und Peru aktiv und auf der Suche nach sog. "Narcoterroristen", aufständischen Drogenhändlern und Guerillas. Mit den Daten des Überwachungssystems wurde den USA ein neues Mittel zum Aufspüren derselben im undurchdringlichen Regenwald an die Hand gegeben.


Kritik

Kritik Obwohl man SIVAM von Anfang an als ein Projekt nationaler Sicherheit einstufte und deshalb erst einmal seine Realisierung durch ausländische Unternehmen ausschloss, sah man sich angesichts des fehlenden Know-how in den eigenen Reihen gezwungen, wieder von dieser Haltung abzurücken. Insbesondere dass die US-amerikanische Raytheon den Wettbewerb gewann hat eine Reihe von Kritikern auf den Plan gerufen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 22.03.2012