Infoblatt Globale Verteilung von Erdbebengebieten


Wo befinden sich seismisch besonders aktive Zonen?



Erdbebengebiete weltweit (Klett)

Der Blick auf die obige Karte lässt schnell erkennen, dass Erdbebenherde nicht zufällig über den Globus verteilt sind, sondern ihre Lage einem bestimmten Muster folgt. So reihen sie sich etwa entlang der ozeanischen Rücken auf, der Randbereich des pazifischen Ozeans ist durch extreme seismische Aktivität gekennzeichnet und ein breiter Streifen zieht sich vom Mittelmeer durch Vorderasien zum Himalaja und weiter nach Südostasien.
Bei genauerer Analyse fällt zudem auf, dass sich größere Beben vor allem in Gebieten mit starkem Relief ereignen, wie z. B. in den Anden, den Rocky Mountains oder im Himalaja sowie unter dem Meeresspiegel bei den Tiefseegräben. Ein ausgeprägtes Relief ist Zeichen einer aktiven Tektonik, da alte Gebirge durch Erosion mit der Zeit eingeebnet werden.
Es gibt umgekehrt auch ausgedehnte seismisch ruhige Gebiete wie Australien, weite Teile Afrikas, Süd- und Nordamerikas und Asiens sowie Nordeuropa, die Antarktis oder Grönland. Auch die Ozeanbecken gehören zu diesen aseismischen Gebieten. Die so genannten alten Schilde sind Bereiche der Kontinentalkruste, die schon vor enorm langer Zeit verfestigt wurden.
Aus der Theorie der Plattentektonik lassen sich im Wesentlichen vier Zonen seismischer Aktivität ableiten: Interplattenbeben an Divergenz-, Konvergenz- und Scherungsrändern sowie Intraplattenbeben.


Interplattenbeben an Divergenzrändern

Die Ränder großer tektonischer Platten, die sich voneinander fortbewegen, d. h. divergieren, liegen meist in den Ozeanen an den so genannten mittelozeanischen Rücken. Aufsteigendes Magma führt in diesen Bereichen während eines Prozesses, der als Seafloor Spreading bezeichnet wird, zur ständigen Neubildung ozeanischer Kruste und zu einem Auseinanderdriften der Platten. Nur an wenigen Stellen lässt sich dieser Vorgang direkt beobachten, so z. B. auf Island, einer Insel, die direkt auf dem mittelatlantischen Rücken liegt. Eine weitere Ausnahme bildet das Riftsystem Ostafrikas.
An Divergenzrändern können sowohl beim Auseinanderbrechen der erstarrten Kruste als auch an aktiven Querstörungen im Rückenbereich Flachbeben auftreten. Starke Beben entstehen hier kaum, da die Kruste relativ dünn und heiß und somit elastisch ist, was den Aufbau von großen Spannungen verhindert. Somit werden auch lediglich 3 - 5 % der globalen seismischen Energie an diesen Schwellen freigesetzt.


Interplattenbeben an Konvergenzrändern

An konvergierenden Plattenrändern stoßen zwei Lithosphärenplatten zusammen. Es kann sich dabei um zwei ozeanische Platten (z. B. an den Tiefseegräben des Westpazifiks), eine ozeanische und eine kontinentale Platte (z. B. westliches Südamerika) oder um zwei Kontinentalplatten (Himalaja) handeln. Im letzteren Fall spricht man auch von Kollisionsrändern.
Da die Dichte der ozeanischen Kruste größer ist als die der Kontinente, taucht die ozeanische unter die kontinentale Platte ab, sie wird subduziert und schließlich in der Tiefe eingeschmolzen. Treffen zwei kontinentale Platten mit gleicher Dichte aufeinander, werden sie in- und übereinander geschoben, was zur Auffaltung besonders mächtiger Gebirge, z. B. des Himalaja, führt. Während sämtlicher Prozesse um Subduktion und Auffaltung können enorme Spannungen aufgebaut werden, die sich dann in Erdbeben entladen. An Subduktionszonen ergibt sich ein auffälliges Muster in Bezug auf die Tiefe der Erdbebenherde: Die Hypozentren tauchen hierbei von den ozeanischen Tiefseegräben kontinenteinwärts ab und geben so Hinweise auf die Position der Plattengrenze zwischen subduzierter und aufliegender Platte. Im Bereich dieser so genannten Benioff-Zone entstehen weltweit die meisten Erdbeben.
Etwa 95 % der globalen seismischen Energie werden bei Erdbeben im Bereich der Konvergemz- und Kollisionsränder frei gesetzt, allein 80 % in der zirkumpazifischen Umrandungszone. Die restlichen 15 % entfallen auf den alpidisch-himalajischen Gebirgsgürtel.


Interplattenbeben an Scherungsrändern

Erdbeben können auch an den so genannten Scherungsrändern entstehen, an denen sich Lithosphärenplatten aneinander vorbei bewegen. Derartige Transformstörungen findet man im Bereich der mittelozeanischen Rücken. Aus den oben genannten Gründen fallen Beben hier jedoch meist eher schwach aus. Stärkere Beben entstehen hingegen unter Beteiligung kontinentaler Krustenteile. Die berühmteste Transformstörung ist sicherlich die San-Andreas-Störungszone in Kalifornien, deren Verschiebungsbeträge bis zu 40 Millimeter im Jahr betragen. Bei einem Beben im Jahr 1989 betrug der Versatz der pazifischen Platte am Epizentrum jedoch ganze zwei Meter nach Nordwesten und 1,3 Meter nach oben!


Intraplattenbeben

Es gibt auch Bebenereignisse, die nicht mit sich an Plattenrändern aufbauenden Spannungen in Zusammenhang gebracht werden können. Dazu gehören beispielsweise auch Beben in Mitteleuropa. Man führt diese Ereignisse auf lokale Spannungskonzentrationen oder Schwächezonen zurück, die durch geologische Heterogenitäten in der oberen Erdkruste hervorgerufen werden. Denn keine Lithosphärenplatte schwimmt völlig entspannt auf der Asthenosphäre, vielmehr sind sie enormen Kompressionskräften ausgesetzt, die zu Brüchen an alten Schwächezonen führen können. Diese Beben können sehr hohe Magnituden haben, wie Bebenereignisse in China oder drei Beben im Mittleren Westen der USA, die im Jahr 1811 und 1812 Magnituden über 8 erreicht haben, gezeigt haben.
Intraplattenbeben sind besonders gefährlich, da die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten in der Regel nicht mit einer derartigen Gefahr rechnet und so meist völlig unvorbereitet getroffen wird.
Europa und insbesondere der Mittelmeerraum, in dem sich die Erdbebentätigkeit Europas fast ausschließlich konzentriert, sind Beispiele für die Vielfalt tektonischer Prozesse auf relativ engem Raum. Das Zusammentreffen zweier kontinentaler Großplatten, ein Mosaik von Kleinplatten im türkisch-griechischen Raum sowie alte Schwächezonen in Mitteleuropa ergeben komplizierte geologisch-morphologische Strukturen, die wiederum unterschiedlichste seismische Ereignisse bedingen: Interplattenbeben am Konvergenzrand von afrikanischer und eurasischer Platte sowie an Scherungsrändern der Mikroplatten, desweitern Intraplattenbeben in Mitteleuropa. Die so genannte Tornquist-Linie trennt das seismisch aktive Europa von praktisch aseismischen Gebieten Skandinaviens (alter Kontinentalschild) und der seit langem stabilen russischen Tafel.


Literatur

BERCKHEMER, H. (1990): Grundlagen der Geophysik. Darmstadt.
SCHICK, R. (1997): Erdbeben und Vulkane. München.
SEIBOLD, E. (1995): Entfesselte Erde. Vom Umgang mit Naturkatastrophen. Stuttgart.
HAACK TaschenAtlas (2003): Vulkane und Erdbeben. Gotha.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Sebastian Siebert
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 26.05.2012