Infoblatt Entstehung von Erdbeben


Einführung in die Entstehung von natürlichen Erdbeben



Erdbebenentstehung an Plattengrenzen (Klett)

Für die immer wieder auftretenden Erdbeben mit teilweise katastrophalen Folgen suchten die Menschen seit jeher Erklärungen, die teilweise der Beobachtung der Natur, teilweise der Mythologie entstammten. 600 v. Chr. erklärte Thales von Milet, dass die Erde wie ein schaukelndes Schiff auf einem gigantischen Ozean schwämme. Von Aristoteles stammt die bis ins Mittelalter verbreitete Vorstellung, dass Winde und Stürme in unterirdischen Höhlen und Klüften wüteten und so Erdbeben verursachten. Später, mit Verbreitung der Elektrizität, kam das Bild von gewitterähnlichen Entladungen im Untergrund auf. Aus der antiken Mythologie stammen Figuren wie Atlas, Prometheus oder Poseidon, die alle für die bebende Erde verantwortlich gemacht wurden. Im Mittelalter war dann häufig ein Drache oder ein riesenhaftes Tier (Wels, Elefant, Schwein, Schildkröte u. a.) Auslöser der unheimlichen Erschütterungen.
Heute wissen wir recht viel über die Entstehung von Erdbeben, da sie sich gut in die allgemein akzeptierte Vorstellung unserer Erde mit den sie gestaltenden Kräften, insbesondere der Plattentektonik, einfügen. Vergleicht man eine tektonische Karte der Erde mit einer Erdbebenkarte, erkennt man schnell einen Zusammenhang zwischen den Strukturen der Erdkruste und der Erdbebenverbreitung. Erdbeben sind somit Belege aktiver Tektonik und helfen Wissenschaftlern über die Analyse der das gesamte Erdgeoid durchlaufenden Erdbebenwellen, den Aufbau der Erde zu verstehen.


Plattentektonik und Erdbeben

Die Erdkruste besteht aus mehreren großen Lithosphärenplatten sowie einer Vielzahl kleinerer Bruchstücke. Diese Platten bewegen sich, angetrieben durch Konvektionsströme im Erdmantel, auf der Asthenosphäre in Größenordnungen von wenigen Zentimetern im Jahr. Dabei stoßen sie zusammen (konvergieren), entfernen sich voneinander (divergieren) oder bewegen sich aneinander vorbei (Transformstörung). Durch die Reibung der Gesteinsmassen bauen sich innerhalb der Erdkruste fortwährend enorme Spannungen auf, die sich im Moment eines Bruchs in Erschütterungen entladen, die sich wellenförmig vom so genannten Hypozentrum, dem Erdbebenherd, ausbreiten. Im Epizentrum, dem senkrecht über dem Hypozentrum gelegenen Punkt auf der Erdoberfläche, treten diese Erdbebenwellen zuerst und mit der größten Energie an die Oberfläche, so dass hier meist der größte Schaden entsteht.
An den Brüchen kommt es zu Verwerfungen, die je nach Stärke an der Erdoberfläche mehr oder weniger stark erkennbar werden. Man unterscheidet bei vertikalen Bewegungen Auf- und Abschiebungen, horizontale Bewegungen bezeichnet man als Horizontal- oder auch Blattverschiebungen. Diese Verschiebungen müssen nicht ruckartig, sondern können auch sehr langsam, kriechend, vor sich gehen. An der San-Andreas-Verwerfung in Kalifornien kommen beispielsweise sowohl kriechende als auch ruckartige Bewegungen vor.
Die mit der Plattentektonik zu erklärenden Beben bezeichnet man als tektonische Beben. Sie machen den Großteil der weltweit auftretenden Erdbeben aus und treten an den Randbereichen der tektonischen Platten auf. Vulkanische Beben stehen im Zusammenhang mit aktivem Vulkanismus; Einsturzbeben werden beispielsweise durch den Einsturz von Höhlen, insbesondere in Karstgebieten ("Karstbeben") oder als indizierte Beben in Bergbaugebieten durch Absenkungen ausgelöst. Auch durch unterirdische Atomwaffentests oder durch die Füllung von Staubecken, der damit stark erhöhten Auflast des Untergrundes und einer Veränderung des Porenwasserdrucks im Untergrund, kommt es zu Erdbeben. Die bei all diesen Beben freigesetzten Energien sind mit denen tektonischer Beben jedoch kaum vergleichbar.



Verwerfungen: Aufschiebung (links oben), Abschiebung (links unten), Horizontalverschiebung (rechts oben) sowie eine Kombination aus Aufschiebung und Horizontalverschiebung (rechts unten) (Klett)


Herdtiefe

Nach der Tiefe des Hypozentrums unterscheidet man Flach-, Mittel- und Tiefbeben. Flachbeben mit Herdtiefen von 0 - 70 km treten am häufigsten auf. Bei Mittelbeben oder auch intermediären Beben liegt das Hypozentrum in einer Tiefe von 70 - 300 km. Tiefbeben haben nach dem, was heute bekannt ist, ihr Hypozentrum in 300 - 700 km Tiefe. Die Entstehung von Tiefbeben ist bis heute nicht genau geklärt. In diesen Tiefen ist das Gestein nämlich nicht mehr spröde, sondern weich und elastisch. Dies steht jedoch der Ausbildung von Scherkräften entgegen, die zum Bruch von Gesteinspaketen und somit zu Erdbeben führen können. Man geht heute davon aus, dass Instabilitäten in der Kristallstruktur der Tiefengesteine, hervorgerufen durch sich ändernde Temperatur- und Druckverhältnisse beim Absinken oder Aufsteigen der Gesteine, für Volumenänderungen und dadurch entstehende Stoßwellen verantwortlich sind.
Vor allem bei Flachbeben führen die auftretenden Verwerfungen zu neuen Spannungen, die sich in der Folgezeit in einer Vielzahl so genannter Nachbeben entladen können, welche mit der Zeit rasch an Magnitude und Zahl abnehmen.


Erdbebenhäufigkeit

Erdbeben sind kein seltenes Ereignis, vielmehr bebt die Erde mehrmals täglich, meist jedoch unter der Schwelle der Wahrnehmbarkeit. Im Durchschnitt gibt es weit über 60.000 Erdbeben mit einer Magnitude von ≥ 3 pro Jahr, über 1.000 Erdbeben haben eine Magnitude von ≥ 5. Solange die Epizentren dieser Beben in Gegenden mit einer geringen Bevölkerungsdichte, einer guten Bausubstanz oder im Meer liegen, werden diese Ereignisse von der Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Sebastian Siebert
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 19.05.2012