Infoblatt Entstehung von Magma im Erdmantel


Ausführliche Beschreibung der Magmabildung



Mantelperidotit (das hellgrüne Mineral ist Olivin) und Phasendiagramm eines Mantelperidotits. S = Solidustemperatur, L = Liquidustemperatur. (Knittel)

Seismische Beobachtungen, d. h. die Untersuchung von Erdbebenwellen, zeigen, dass der Erdmantel fest ist. Allein in der Asthenosphäre, in rund 100 - 200 km Tiefe, könnte er zu ca. 1 % aufgeschmolzen sein. Die meisten Magmen entstehen aber in geringeren Tiefen, d. h. die Bildung von Magma ist ein lokales Phänomen. Um zu verstehen, wie es in vergleichsweise kleinen Bereichen des Erdmantels zur Bildung von Gesteinsschmelze (Magma) kommt, ist es notwendig, die Zusammensetzung des Erdmantels, des Entstehungsorts der meisten Magmen, zu kennen.


Der Aufbau des Erdmantels

Der Erdmantel liegt für uns unzugänglich unter der 8 - 60 Kilometer dicken Erdkruste. Dennoch wissen wir relativ viel über seine Zusammensetzung, da durch den Vulkanismus nicht nur Magmen, sondern gelegentlich auch Fragmente des Erdmantels an die Erdoberfläche gefördert werden. Diese Mantelfragmente sind grüne, grobkörnige Gesteine, die häufig aus nur vier Mineralen, nämlich Olivin, Orthopyroxen, Klinopyroxen und Spinell oder Granat bestehen. In größeren Tiefen, etwa ab 60 bis 70 Kilometern Tiefe, tritt statt Spinell das Mineral Granat auf. Olivin ist praktisch immer zu über 50 % am Aufbau der Erdmantelgesteine beteiligt; solche Gesteine werden allgemein Peridotite genannt.
Der Erdmantel ist nicht starr, vielmehr finden in ihm sehr langsame Bewegungen statt. Es handelt sich um Konvektionsströme, die durch die Temperaturunterschiede zwischen dem oberen und unteren Mantelbereich verursacht werden. Diese Konvektionsströme sind eine der treibenden Kräfte der Plattentektonik.


Bildung von Magmen

Ein Gestein, das ein Gemisch aus verschiedenen Mineralen ist, schmilzt – anders als etwa Eis, das bei 0 Grad C vom festen in den flüssigen Zustand wechselt, nicht bei einer bestimmten Temperatur. Vielmehr bildet sich bei einer bestimmten Temperatur, der Solidustemperatur (Linie ‚S’ in der obigen Abbildung), nur ein wenig Schmelze. Erst bei steigender Temperatur nimmt der Anteil an Schmelze zu, bis bei der sogenannten Liquidustemperatur (Linie ‚L’ im Diagramm) der Mantelperidotit vollständig aufgeschmolzen ist (diese Temperatur wird im Erdmantel nie erreicht!). Wenn der Anteil der Schmelze (= Magma) etwa 5 % beträgt, kann diese sich aus dem Aufschmelzbereich lösen und an die Erdoberfläche aufsteigen, was zum Vulkanismus führt.
Im Erdmantel ist es jedoch schwer möglich, die Temperatur des Mantelperidotits zu erhöhen. Um zu verstehen, wie es dennoch zur Bildung von Magmen kommt, ist es notwendig, ein sogenanntes "Phasendiagramm" des Mantelperidotits anzusehen. Ein Phasendiagramm zeigt den Zustand eines Gesteins bei bestimmten Temperaturen und Drücken. Die Abbildung zeigt, dass die Temperatur, bei der die Bildung von Schmelze beginnt, um so höher liegt, je höher der Druck ist. Das bedeutet, dass Mantelperidotit nicht nur durch eine Erhöhung der Temperatur schmelzen kann, sondern auch durch Erniedrigung des Drucks (Pfeil: 1350 Grad C heißer Mantel, der aus einer Tiefe von 100 Kilometern auf 70 Kilometer aufsteigt, beginnt durch die Druckentlastung zu schmelzen) bei gleich bleibender Temperatur. Zu einer Druckerniedrigung kommt es, wenn Mantelperidotit aufsteigt. Schmelzbildung durch Druckerniedrigung ist der wichtigste Prozess der Bildung von Magmen im Erdmantel.


Vulkanismus

Schaut man sich die Verteilung aktiver Vulkane auf unserem Globus an, so fällt auf, dass diese in Ketten entlang der Küsten des Pazifiks, in den Antillen und im Mittelmeer angeordnet sind. Zusätzlich finden sich aktive Vulkane in den Gipfelzonen der mittelozeanischen Rücken. Schließlich gibt es an verschiedenen Orten innerhalb der Kontinente und Ozeane vereinzelte Vulkanbauten bzw. Vulkanfelder (zum Beispiel die Vulkanfelder der Eifel). In diesen Regionen führen unterschiedliche Mechanismen zur Bildung von Magmen:
  • Vulkanismus an mittelozeanischen Rücken: Die Erdkruste besteht aus einer Reihe von größeren und kleineren Platten, die sich gegeneinander verschieben. Die Bewegung der Platten wird durch langsame Konvektionsströmungen im Erdmantel gesteuert. Dort, wo Mantelmaterial aufsteigt und nach den Seiten abfließt, reißen Platten auseinander. Durch die Druckentlastung im aufsteigenden Mantel kommt es zu Schmelzbildung und Vulkanismus an mittelozeanischen Rücken: es bildet sich neue ozeanische Kruste.
  • Vulkanismus über Subduktionszonen: Wenn an den mittelozeanischen Rücken neue Erdkruste gebildet wird, muss an anderen Stellen Kruste zerstört werden, da sich die Erde nicht ausdehnt. Dies geschieht an den Subduktionszonen. Dort sinkt ozeanische Kruste zurück in den Erdmantel. Die ozeanischen Kruste, die Millionen von Jahren in Kontakt mit dem Meerwasser stand, hat im Laufe der Zeit erhebliche Mengen Wasser aufgenommen (auf Korngrenzen und Rissen sowie in wasserhaltigen Mineralen), das im Erdmantel bei steigenden Temperaturen und Drücken wieder freigesetzt wird. Der über der abtauchenden Platte liegende Peridotit nimmt dieses Wasser auf, wodurch seine Schmelztemperatur sinkt, so dass es zur Bildung von (wasserreichen) Magmen kommt.
  • Vulkanismus innerhalb der Kontinente und Ozeane (Hot Spots): Vulkanismus innerhalb der Ozeane und Kontinente, d. h. abseits der Plattengrenzen, wird – ähnlich wie der Vulkanismus an den mittelozeanischen Rücken – auf den Aufstieg von Mantelperidotit zurückgeführt. Im Vergleich zu der Situation an den mittelozeanischen Rücken steigt das Mantelmaterial jedoch nur in einem räumlich eng begrenzten Bereich auf (Durchmesser vielleicht 30 - 50 Kilometer), der Manteldiapir oder 'hot-spot' genannt wird; er ist allerdings nur deshalb heiß, weil er aus größeren, heißeren Tiefen aufsteigt.




(Knittel)


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Ulrich Knittel
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 09.07.2012