Infoblatt Ökosystem Watt


Fauna und Flora des Watt



Wattwürfel (Harro Maass)


Einleitung

Das Watt ist ein Feuchtgebiet, das durch die Wirkung der Gezeiten entsteht. Dieses einzigartige Ökosystem ist der Lebensraum für rund 250 Tier- und Pflanzenarten, die nur hier vorkommen sowie zahlreiche andere Arten, die das Watt saisonal besuchen. Im Watt herrschen extreme Bedingungen. Stundenlange Trockenheit bei sommerlicher Hitze oder winterlicher Eiseskälte wechseln sich ab mit meterhohem Wasser oder Sturmfluten. Die Wattbewohner sind daher gut angepasst und häufig Spezialisten. Auf den ersten Blick sieht man meist nicht die Lebensvielfalt im Watt, denn zahlreiche Organismen leben im Sand und Schlick vergraben. Viele dieser Arten trifft man in sehr hoher Individuenzahl an. So können z. B. im Sommer auf 1 m² Schlick bis zu 1 Million Kieselalgen vorkommen.
Von den Bodenbewohnern des Wattenmeers wird ein großer Teil des Wassers filtriert - pro m² etwa 300 Liter / Stunde. Im Sommer können die Muscheln eines Wattenmeers das gesamte Wattwasser in nur zwei Wochen einmal durch ihre Kiemen filtern und von Schwebstoffen befreien. Bei übermäßiger Abwassereinleitung ins Meer stößt aber auch diese natürliche Selbstreinigung an ihre Grenzen.


Fauna

Der Lebensraum Watt wird von Tieren dominiert. Der Wattboden ist reich an Kleinstlebewesen, die als Nahrung für Würmer, Muscheln, Schnecken, Krebse und Fischen dienen. Diese wiederum werden von größeren Wattbewohnern gefressen. Am Ende der Nahrungskette stehen die See- und Strandvögel sowie das einzige hier vorkommende Raubtier – der Seehund.

Einige ausgewählte Beispiele:

Wattwurm (Prielwurm)
Der bräunlich-schwarze Wattwurm lebt in 30 cm langen, U-förmigen Gängen im Wattboden mit zwei Öffnungen zur Oberfläche. An der einen Öffnung nimmt der Wurm Pflanzen- und Tierreste mit dem Schlick auf. Unverdauliche Nahrungsreste scheidet er durch die zweite Öffnung wieder aus. Dort bilden sich kleine Kothäufchen an der Oberfläche. Durch Grab- und Fressvorgänge des Wurms wird der obere Wattboden umgelagert und gut durchlüftet.

Wattkrebs
Der 6 - 10 mm lange, hellbraune Wattkrebs lebt ebenfalls in U-förmigen Gängen im Boden. Der Eingang seiner Röhre ist jedoch von sternförmigen Kratzspuren umgeben, die seine Fühler bei der Nahrungssuche an der Bodenoberfläche hinterlassen. Wattkrebse können sich in günstigen Zeiten massenhaft vermehren. Dann leben bis zu 40.000 Tiere auf 1 m². Die Wattkrebse sind bei Flut die Hauptnahrungsquelle für die am Meeresboden lebenden Fische.

Muscheln
Muscheln sind ebenfalls häufig im Watt zu finden. Sie leben im Boden vergraben, wie die Herz-, Platt- oder Klaffmuschel, oder direkt an der Oberfläche, wie die Schwarze Miesmuschel. Letztere gehört zu den wichtigsten Filtrierern im Wattenmeer. Sie reinigen das Wasser von Plankton, Schwermetallen und organischen Giften. Ein ausgewachsenes Tier kann bei Flut 2 Liter Wasser pro Stunde filtern. Die Miesmuscheln haften sich durch sog. Byssusfäden (= selbst produzierte Eiweishaftfäden) aneinander und bilden große Muschelbänke mit bis zu 1.500 Tieren/m².

Vögel
Das Watt mit seinem vielseitigen Nahrungsangebot zieht über 100 Vogelarten an. Das größte Angebot an Futter finden die Vögel dort, wo das Wasser gerade auf- oder abläuft. Denn hier können sie leichter mit dem Schnabel im noch nassen Boden graben. Große Vogelscharen folgen deshalb ständig dem Wassersaum mit den Gezeiten, d. h. bei Ebbe befinden sie sich weit draußen im Watt, bei Flut suchen sie in Strandnähe nach Nahrung. Die Vögel nutzen das Wattenmeer als Brutplatz, Rastplatz oder als Überwinterungs- bzw. Sommerstandort:
  • Brutvögel: Zu den Brutvögeln gehört der große schwarz-weiße Austernfischer, der vor allem auf offenen Sandflächen nistet. Auch die Silbermöwe brütet im Wattenmeer – scharenweise bevölkert sie die angrenzenden Dünen. Die Möwen sind Allesfresser und plündern gerne auch die Nester anderer Brutvögel. In den letzten Jahren ist ihr Bestand stark angestiegen. Besonders in der Nähe von Fischerbooten sieht man sie zu Hunderten. Die Möwen fressen die Reste oder nicht verwertbaren Tiere, die die Fischer über Bord werfen.
  • Durchzügler: Über 10 Millionen Zugvögel nutzen jährlich das Wattenmeer als Rastplatz und Tankstelle auf ihrem Weg in den Süden (im Herbst) bzw. in den Norden (im Frühjahr). Die Vögel legen auf ihren Zügen bis zu 4.000 km zurück und verlieren auf dem Flug ihr gesamtes Reservefett. Im Watt können sie sich neue Fettdepots anfressen. Ein häufig anzutreffender Durchzügler ist der Große Strandläufer, der mit seinem langen Schnabel im Schlick nach Würmern sucht.
  • Winter- und Sommergäste: Hierzu gehört die aus Nordwesteuropa kommende Brandgans, die im Watt überwintert. Die Gänse wechseln hier ihr Gefieder und sind in dieser flugunfähigen Phase besonders schutzbedürftig.



Flora

Die Pflanzen im und am Watt müssen gut an die wechselnden Lebensbedingungen angepasst sein. Sie müssen dem Salzwasser, der hohen Sonneneinstrahlung und dem Temperaturwechsel trotzen. Im Wattwasser selbst findet man viele Algenarten, wie Kieselalgen, Braunalgen oder Meersalat. Die einzige Blütenpflanze im Watt ist das Salzgras, welches auf kleinen Sandbänken im Flachwasserbereich wächst.
Eine geschlossene Pflanzendecke findet man nur am Rand des Watts auf den angrenzenden Salzwiesen und den danach folgenden Dünen. Die meisten der Pflanzen sind Salzpflanzen (Halophyten) mit speziellen Einrichtungen zur aktiven Salzausscheidung oder verdickten Blättern und Stängeln zur Süßwasserspeicherung.
Die Salzwiesen liegen über dem mittleren Hochwasserspiegel und werden nur bei Sturmfluten überspült. Hier dominieren der blattlose Queller, das Salzkraut, das Englische Schlickgras sowie der Strandflieder. Mit ihren Wurzeln halten die Pflanzen angeschwemmte Schlickpartikel fest und erhöhen somit das Land um sich herum.
Die Pflanzendecke der Dünen ist ärmer an Arten. Der Dünensand ist recht trocken, nährstoffarm und von Salzstaub bedeckt. Hier wachsen anspruchslose Gräser wie Quecken und Strandhafer sowie Heidekrautarten.


Schutz des Ökosystems

Das Watt hat eine große ökologische Bedeutung. Durch den zunehmenden Einfluss des Menschen ist das Ökosystem Watt mehr und mehr bedroht:
  • Abwassereinleitungen verschmutzen das Wasser.
  • Touristen stören die Brutvögel, verschmutzen die Strände und zerstören die Pflanzendecke der Dünen.
  • Durch Überfischung sind einige Fischarten in ihrer Existenz bedroht.
  • Durch den Bau von Deichen und Sperrwerken verschwinden immer mehr Salzwiesen.
  • Der Eintrag von Düngemitteln und anderen Nährstoffen erhöht die Algenproduktion und verringert somit den Sauerstoffgehalt des Wassers.
  • Viele Staaten planen die wirtschaftliche Nutzung der Wattflächen, etwa zum Bau von Windparks oder Erdgasförderstätten.
Das Watt ist ein sehr sensibler Lebensraum mit hochgradig spezialisierten und komplexen Nahrungsketten. Es benötigt umfassende Schutzmaßnahmen. An der deutschen Nordseeküste wurden deshalb drei Nationalparks gegründet: das Niedersächsische-, das Schleswig-Holsteinische und das Hamburgische Wattenmeer. Grundgedanken der Nationalparks sind die Bewahrung der Natur und eine Beschränkung auf die traditionelle Nutzung des Wattenmeers.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Sabine Seidel
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2005
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 20.03.2012