Infoblatt Die Geschichte der Sklaverei


Was sind Sklaven und welchen Stellenwert nehmen sie in der Gesellschaft ein?



Schnitt durch das Deck eines Sklavenschiffes

Ein Sklave ist ein Mensch, der seiner persönlichen Freiheit beraubt, völlig recht- und wehrlos ist. Er wird als Sache oder Ware behandelt und ist Eigentum eines anderen Menschen, der die Gewalt über ihn ausübt. Die Wurzeln der Sklaverei liegen in den gesellschaftlichen Verhältnissen, vor allem in den Eigentumsverhältnissen. Bis heute befinden sich noch immer Menschen in einer derartigen Abhängigkeit, obwohl die Sklaverei in allen Staaten der Welt offiziell als abgeschafft gilt. Ursachen der Sklaverei in der Gegenwart sind u. a. Überschuldung, Prostitution und Kinderarbeit. Sklaverei im klassischen Sinne gibt es heute noch im Sudan, wo Menschenjäger aus dem arabischen Norden die Bevölkerung im Süden überfallen und in die Sklaverei verkaufen.

Sklaven bildeten in der Geschichte faktisch seit den ersten Stadtstaaten im mesopotamischen Zweistromland und in späteren Großreichen wie bei den Ägyptern eine entscheidende gesellschaftliche Schicht. Die ägyptischen Pharaonen versklavten ganze Völker wie z. B. die Juden. Später war sowohl bei den Griechen als auch bei den Römern das System der Schuldsklaverei rechtlich verankert, demzufolge ein Gläubiger seinem Schuldner die einzulösende Schuld abarbeiten lassen konnte. Nach römischem Recht hatte der Sklave keine Persönlichkeit und keine Rechtsfähigkeit, sondern war als bloße Sache Gegenstand des Handels. Sklavenkinder waren von Geburt an Sklaven. Der Herr oder Sklavenhalter besaß an seinen Sklaven alle Rechte. Er entschied über Leben und Tod des Sklaven, dessen Verdienst ihm ohnehin gehörte.

Sklaven hatten die härtesten und niedersten Arbeiten zu verrichten. Gegenüber dem Einzelnen wurde die Sklaverei zudem mit äußerster Brutalität und Grausamkeit ausgeübt und aufrechterhalten. Unter diesen Umständen besaß das Leben der Sklaven einen äußerst geringen Stellenwert. Sie wurden in den antiken Gesellschaften massenweise vorzeitig "verbraucht". Die gewaltige Ausdehnung des römischen Reiches bis zu Beginn unserer Zeitrechnung ist u. a. auch damit zu erklären, dass in Rom ein ständiger Bedarf an Sklavennachschub bestand.

Im Mittelalter wurde die Sklaverei durch den Feudalstaat abgelöst, in dem sich ein System der Leibeigenschaft entwickelte. Nur mit der Missionierung Osteuropas im 10. Jh. erlebte die Sklaverei in Form des Handels mit slawischen Sklaven eine erneute Blütezeit, in der auch das Wort "sklavus" das bis dahin gebräuchliche "servus" für die Bezeichnung von Sklaven ersetzte. Im Spätmittelalter schließlich ging auch dieser Sklavenhandel wieder zurück, da mit den immer länger werdenden Transportwegen die Sklaverei unrentabel wurde. Im Mittelmeerraum dagegen blühte der Menschenhandel vor allem mit Menschen des afrikanischen Kontinents weiterhin.

Das brutalste und tragödienreichste Kapitel in der Geschichte der Sklaverei wurde jedoch von der Mitte des 16. Jh. und bis zum Ende des 19. Jh. geschrieben. Ausgangspunkt war die einsetzende Kolonialisierung Amerikas. Den Entdeckern und Seefahrern wie Kolumbus folgten zunächst die Abenteurer und Tagediebe, die auf schnellen Reichtum hofften, später dann die weißen Siedler und Farmer, die sich in Amerika eine neue Existenz aufbauen wollten. So entstanden – zuerst auf den karibischen Inseln – riesige Plantagen, auf denen all die Produkte angebaut wurden, die in Europa mit hohem Gewinn verkauft werden konnten. Angesichts der klimatischen, der Arbeits- und Hygieneverhältnisse starben die Arbeiter auf diesen Plantagen wie die Fliegen. Besonders ungeeignet für die Sklavenarbeit war die einheimische indianische Bevölkerung, die zu Millionen den eingeschleppten europäischen Krankheiten wie Masern oder Pocken erlag.

So entwickelte sich ein riesiger Bedarf an immer neuen Arbeitskräften, dessen Befriedigung für die Sklavenhändler ebenso riesige Gewinne versprach. Die Quelle zur Befriedigung dieses Bedarfs hieß Afrika, wo die Portugiesen bereits um 1400 die ersten Einwohner gefangen und als Haussklaven nach Lissabon gebracht hatten. Diesen bescheidenen Anfängen folgten schon bald Sklaventransporte in die Neue Welt, die in die Hunderttausende gingen – allein in die Karibik wurden im 16. und 17. Jh. über 600.000 Afrikaner als Sklaven verschleppt.

Mit der Besiedlung des nordamerikanischen Kontinents nahm der Sklavenhandel gigantische Ausmaße und brutalste Formen an. Es entstand der berüchtigte Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika, der den beteiligten holländischen und französischen, später den britischen Handelskompanien an jedem Umschlagplatz sich vervielfachende Gewinne einbrachte. Sie flossen in die Mutterländer zurück und häuften dort einen märchenhaften Reichtum an.

Beim Dreieckshandel waren die Schiffe auf allen Routen voll ausgelastet. Die in Europa geladenen, äußerst billigen Waren – Flinten, Schnaps und Kattun – wurden in Afrika gegen Sklaven eingetauscht. Die Sklaven transportierte man nach Amerika, wo sie für Gold und Silber, später für Zucker, Rum, Baumwolle, Kaffee und Tabak eingetauscht wurden, die per Schiff schließlich wieder in Europa landeten. Für alle Beteiligten eine ungeheure Gewinnquelle, weswegen beispielsweise Elisabeth I. von England sehr schnell ihre anfängliche Ablehnung des Sklavenhandels aufgab.

Die Folge für Afrika waren jedoch ungeheure Menschenverluste. Dem Kontinent gingen über unzählige Generationen die gesündesten und stärksten jungen Leute verloren. Von den bedauernswerten eingefangenen Einheimischen starben viele schon weit vor dem Ziel: bei Kämpfen, den strapazenreichen Märschen der Sklavenkarawanen und beim Schiffstransport. Die in Amerika Angekommenen wurden sehr schnell durch die dann einsetzende brutale Ausbeutung dezimiert. Nach Schätzungen hat Afrika durch den Sklavenhandel zwischen dem 15. und 19. Jh. mindestens 10 Millionen Menschen verloren.

Andere Quellen beziffern die Zahl der verschleppten Afrikaner gar mit 50 Millionen, wobei hier auch die Afrikaner einbezogen sind, die im Kampf gegen die Sklavenhändler oder während der Überfahrt starben. Viele der eingefangenen Menschen entzogen sich durch Selbstmord dem Sklavenschicksal. Andere versuchten auf den Sklavenschiffen zu revoltieren, aber fast alle dieser Versuche wurden auf die grausamste Weise niedergeschlagen.

Je länger die Sklavenjagd andauerte, um so schwerer konnte man Sklaven noch in Küstennähe fangen. Die Sklavenjäger drangen immer tiefer in das Innere des Kontinents vor, mussten dann jedoch ihre Opfer ohne Verluste an die Küste schaffen. Die gefangenen Sklaven wurden schwer bewacht und so gefesselt, dass eine Flucht fast ausgeschlossen war. Die Männer mussten auf Kopf und Schulter einen schweren Holzklotz schleppen, der am rechten Arm jedes Sklaven befestigt war. Frauen und Kindern fesselte man den rechten Arm an den Leib.

An der Küste sammelte man die Sklaven in sog. Faktoreien. Waren genügend Sklaven zusammen gekommen, wurden sie verschifft, vorher aber noch von Schiffsärzten auf Tauglichkeit untersucht. Allen Tauglichen wurde mit einer glühendheißen Eisenstange das Zeichen der jeweiligen Handelsgesellschaft eingebrannt. Den zusammengestellten Transport verkauften die Händler an die Kapitäne der Sklavenschiffe, die von Zeit zu Zeit vor der Küste erschienen. Kritisch war der Augenblick der Einschiffung, denn viele der aus dem Landesinneren stammenden Afrikaner kannten das Meer nicht und hatten panische Angst vor der tosenden Brandung. Sie wehrten sich mit allen Kräften, doch die Schiffsbesatzungen prügelten, zerrten oder trugen sie auf die Schiffe.

Auch nach ihrer Ankunft in der Neuen Welt wurden die Sklaven in keiner Weise geschont oder sorgsam behandelt. Die amerikanische Sklavenwirtschaft fußte auf der Rechnung, dass die Zufuhr neuer frischer Arbeitskräfte nach drei bis vier Jahren billiger war als die gute Versorgung bereits im Besitz befindlicher Sklaven über diesen Zeitraum hinaus. Deshalb presste man maximale Arbeitsleistung bei geringster Versorgung aus den rechtlosen Menschen heraus.

Die Sklaven schufteten in Bergwerken und auf Plantagen, in Transport und Verkehr und in der Hauswirtschaft. Sie waren praktisch in allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens bald unersetzlich und erarbeiteten für ihre Besitzer einen ungeheuren Reichtum. Die Bezeichnung Afrikas als Gebärmutter der Völker bekam mit der Sklaverei in der Neuen Welt einen neuen brutal-zynischen Beigeschmack. Während die Sklaverei maßgeblich zur Versklavung und Ausrottung der eingeborenen amerikanischen Bevölkerung geführt hatte, verwandelte sie durch den überseeischen Sklavenhandel Afrika in ein Gehege für die weißen Europäer zur Jagd auf das "schwarze Elfenbein", wie die afrikanischen Sklaven auch genannt wurden.

Das Ende der Sklaverei begann mit den liberalen und christlichen Vorstellungen der Aufklärung im ausgehenden 18. Jh. Es entstand die sog. Abolitionsbewegung, die von Großbritannien aus immer mehr Einfluss gewann. Allerdings dauerte es bis zum Ende des 19. Jh., ehe die Sklaverei entscheidend zurückgedrängt werden konnte. Trotz des letztlichen Erfolgs der Abolitionsbewegung erfolgten zwischen 1770 und 1888, in dem Jahr endete die Sklaverei in Brasilien, 80 Prozent aller Sklaventransporte von Afrika nach Amerika in der Geschichte überhaupt. In Afrika begann mit dem Ende der Sklaverei und des Sklavenhandels der moderne Kolonialismus. Damit blieben für die Afrikaner Befreiung, Gleichberechtigung und Unabhängigkeit weiterhin nur ein Traum.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Klaus-Uwe Koch
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 10.05.2012