Infoblatt Nachhaltige Nutzung des Tropischen Regenwaldes


Holzzertifizierung, Gummi-, Genuss- und Arzneimittelproduktion



Möglichkeit zum schonenden Holzeinschlag (Klett)

Der Tropische Regenwald ist ein hochkomplexes Ökosystem, Eingriffe können verheerende Folgen bis hin zu seinem Zusammenbruch haben. Charakteristisch hierfür ist der jährliche Schwund von Regenwaldflächen, der Verlust an Biodiversität und das Auslöschen ganzer indigener Völker. Doch es geht auch anders: Seit den 1980er Jahren existiert in der nördlichen Hemisphäre eine Debatte über das Für und Wider einer Regenwaldnutzung. Doch ein völliger Verzicht auf die Ressourcen des Regenwaldes ist hier nicht Kern der Diskussionen, da dieser für die tropischen Volkswirtschaften wie auch für die nördliche Hemisphäre nicht realistisch ist. Vielmehr muss es um das "Wie" gehen, wenn der Tropische Regenwald genutzt werden soll. Es gibt sehr wohl zahlreiche Beispiele für eine nachhaltige, also den Wald nicht schädigende Form der Bewirtschaftung. Nachfolgend seien einige davon aufgeführt.


Zertifizierung von Tropenholz

Die Idee hinter der Zertifizierung von Tropenholz ist einfach: Eine internationale Organisation (z. B. The Forest Stewardship Council – FSC) ermächtigt Organisationen vor Ort, Holz und Holzprodukte zu zertifizieren. Dafür werden Regeln aufgestellt, wie das Holz produziert worden sein muss, um ökologischen, ökonomischen und sozialen Ansprüchen zu genügen. FSC formuliert dafür 10 Prinzipien, die für alle Wälder der Erde gelten sollen. Sie können lokal an die Erfordernisse des Landes angepasst werden. Die Prinzipien fordern:
  1. Die Waldbewirtschaftung soll alle Gesetze des Landes, die Verträge, die dieses eingegangen hat und die FSC-Prinzipien berücksichtigen.
  2. Die Besitzansprüche und Nutzungsrechte an Land- und Forstressourcen sollen definiert, dokumentiert und rechtlich verankert sein.
  3. Die Rechte indigener Völker sind unbedingt zu wahren.
  4. Die Waldbewirtschaftung soll das soziale und ökonomische Wohlergehen der im Wald Beschäftigten und der lokalen Bevölkerung sichern und mehren.
  5. Die effiziente Nutzung des Waldes soll ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig sein.
  6. Die Waldbewirtschaftung soll den Erhalt der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme als Ganzes gewährleisten.
  7. Der Forstbetrieb muss einen Bewirtschaftungsplan aufstellen, anwenden und aktualisieren.
  8. Der Waldzustand, die Erträge, die Handels- und Verwertungskette, die Bewirtschaftung und die sozialen und ökologischen Auswirkungen sollen dokumentiert werden.
  9. Wälder mit hohem Schutzwert sollen erhalten und deren besondere Merkmale, wenn möglich, vermehrt werden.
  10. Plantagen sind neben Naturwäldern nur in Übereinstimmung mit diesen 10 Prinzipien zulässig, sie sollen den Erhalt und die Wiederherstellung von Naturwäldern fördern.
Betriebe, die sich diesen Prinzipien anschließen, erhalten damit den Zugang zu einem neuen Markt: dem Markt der hochwertigen, ökologisch erzeugten Baustoffe. Dieser ist ein Wachstumsmarkt. Für Konsumenten bedeutet die Zertifizierung, dass für den Fortbestand der natürlichen Wälder und für die Einwohner der Herkunftsländer Sorge getragen wird.


Gummigewinnung

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts leben viele Bewohner des Amazonasgebietes vom Gummizapfen. Dies ist eine traditionelle Art der Rohstoffgewinnung im Regenwald. Die Gummigewinnung schädigt den Wald nicht, da die Bäume nicht gefällt werden. Die Gummizapfer ritzen die Bäume nur an und gewinnen das heraustropfende Latex. Es liegt im natürlichen Interesse der Gummizapfer, die Bäume nicht zu übernutzen und somit ihr persönliches Einkommen zu sichern. Zurzeit leben in der Amazonasregion etwa 63.000 Familien von der Gummigewinnung. Dazu wurden von der brasilianischen Regierung Gebiete ausgewiesen, in denen das Anzapfen der Bäume erlaubt ist. Diese Gebiete erstrecken sich derzeit nur über 2 % des Amazonas-Regenwaldes. Jährlich gewinnen die Familien ca. 5.700 Tonnen Gummi, diese Menge entspricht gerade mal 1,9 % des brasilianischen Gummibedarfs. Der nationale Rat der Gummizapfer versucht, die für die Gummigewinnung freigegebenen Flächen zu vergrößern, um noch mehr Arbeitsplätze mit dieser nachhaltigen Art der Regenwaldnutzung zu schaffen.


Palmfrüchte und Palmherzen

Die Früchte der Acai-Palme, welche im Amazonas-Regenwald wächst, werden traditionell zu einem Wein verarbeitet, welcher reich an Mineralien ist. Eine einzige Palme liefert bis zu 20 kg Früchte pro Jahr. Der daraus produzierte dunkelviolette Wein ist sehr wohlschmeckend und das (neben Holzprodukten) finanziell lohnendste Produkt aus dem Amazonasdelta. 1995 wurden 106.000 Tonnen des Weines im Wert von 40 Mio. US-Dollar produziert. Obwohl der Baum zur Gewinnung der Palmherzen gefällt werden muss, stellt die relativ simple Pflanzung einfacher Palmbäume inmitten des Regenwaldes eine gute Alternative zur Kahlschlagwirtschaft dar. Die größten Importeure von Palmherzen sind die USA, Spanien, Japan, Holland und Belgien. Auch die Produktion von Palmwein und Palmherzen kann noch erheblich gesteigert werden.
Doch wird in Südamerika die Acai Frucht und die Palmherzen der Acai Palme vor allem als alltägliches Lebensmittel genutzt. In gewissen Regionen macht die Acai Beere über 60 % der täglichen Nahrung der Bevölkerung aus. Sie wird vor allem als Joghurt, Smoothie, Speiseeis oder als ganze Frucht gegessen. Nicht nur die Frucht wird verwendet; aus den Palmblättern werden Körbe, Hüte und ganze Palmdächer gefertigt. Wegen den vielen gesunden Inhaltsstoffen wird Acai in Europa und den USA vor allem als Nahrungsmittelergänzung und Diätmittel verwendet.


Früchte und Nüsse

Die wachsende Anziehungskraft neuer Produkte aus der Amazonasregion wie exotische Früchte, Nüsse und Gewürze gewährleistet steigende Chancen für die Vermarktung derselben auf nationalen und internationalen Märkten. Über 48 heimische Früchte des Amazonas besitzen Eigenschaften, die sie für die internationalen Märkte interessant machen. Z. B. besitzt die Camu-Camu-Frucht eine höhere Vitamin C-Konzentration als alle anderen bekannten Früchte. Sie wird in die USA exportiert, um dort Vitamin-Pillen herzustellen. Die Cupuaçu-Frucht besitzt einen ausgeprägt tropischen Geschmack und Lebensmittelexperten nehmen an, dass sie in den kommenden Jahren die Weltmärkte für Obst erobern wird. Viele indigene Völker Amazoniens sammeln traditionell Nüsse für ihren Lebensunterhalt. Auch in diesem Bereich ist eine immense Produktionssteigerung möglich.


Medizinische Produkte

Über zwei Drittel aller großmaßstäblich hergestellten Pharmazeutika werden aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen. Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO nutzen gut 80 % der Weltbevölkerung Pflanzen zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten. Es existieren z. B. Pflanzenextrakte aus Regenwäldern, die effektiv gegen Krebs wirken. Heute sind bereits 650 verschiedene Pflanzenarten des Amazonas mit pharmazeutischen Eigenschaften bekannt. Man kann davon ausgehen, dass die tatsächliche Anzahl verwertbarer Pflanzen um ein vielfaches höher liegt.


Ökotourismus

Der Ökotourismus in Amazonien und anderen Regenwäldern der Erde besitzt große Potentiale für eine ökonomische Tragfähigkeit. Zurzeit wird er leider nur unbefriedigend durchgeführt. Ökologisch nachhaltige Technologien und traditionelle Arten der Beherbergung würden der Natur Amazoniens kaum Schaden zufügen. Das Geld aus dem Tourismus würde den Menschen vor Ort zu Gute kommen, indem sie beispielsweise als Fährtensucher, Guides oder Bootfahrer ihr Einkommen verdienen würden. Die außergewöhnlich vielseitige Natur Amazoniens hält Möglichkeiten für viele Aktivitäten bereit: Wandern, Rafting, Tauchen, Ornithologie und Safaris sind nur ein paar Beispiele für einen ökologisch nachhaltigen Tourismus im Amazonas-Regenwald. Zurzeit existieren in Amazonien lediglich gut 1.000 Betten in 18 Lodges. Einem behutsamen Ausbau der touristischen Infrastruktur im Einklang mit der Natur und den Menschen vor Ort steht nichts im Wege.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 17.03.2012