Infoblatt Handwerksordnung und Handwerksrolle


Überblick über die wichtigsten Begrifflichkeiten der Organisationsstruktur im deutschen Handwerk

Das Handwerk ist eine gewerbliche Organisationsform und ein Berufsstand, bei dem die Handarbeit ein dominierendes Kennzeichen ist. Traditionell ist das Handwerk in Mitteleuropa sehr stark organisiert (Stichwort "Zunft"). Im Zusammenhang werden oft Begriffe wie Handwerksordnung, Handwerksrolle und Handwerkskammer genannt. Hier wird ein Überblick der wichtigen Begrifflichkeiten der Organisationsstruktur im deutschen Handwerk gegeben.


Die Handwerkskammer

Die Handwerkskammer ist eine Körperschaft (= Rechtsform) des öffentlichen Rechts, welche die Interessen des Handwerks nach außen vertritt. Jeder Handwerksbetrieb ist Pflichtmitglied in der für ihn zuständigen Berufsgenossenschaft und Handwerkskammer, die mit der Industrie- und Handelskammer vergleichbar ist. Es gibt z. B. die Handwerkskammer Erfurt für Mittelthüringen, Handwerkskammer Kassel für den Regierungsbezirk Kassel / Hessen und die Handwerkskammer für Unterfranken in Würzburg. Wie bei allen Berufskammern handelt es sich um eine Pflichtmitgliedschaft. Einige Handwerker empfinden die Pflichtmitgliedschaft jedoch als ungerechtfertigte Zwangsmaßnahme mit der Begründung, dass die Mitgliedsbeiträge und der direkte Nutzen nicht im Verhältnis ständen. Folgende Leistungen bieten die Handwerkskammern ihren Mitgliedern an:
  • (wirtschaftliche) Interessenvertretung des Handwerks in verschiedenen Bereichen (z. B. Umwelt, Verkehr),
  • Rechts- als auch betriebswirtschaftliche Beratung,
  • Information, Beratung und Schulung zu Aspekten des betrieblichen Umweltschutzes in den Bereichen: Abfallwirtschaft, Altlasten, Energiewirtschaft (Energieberatung), Gewässer- und Immissionsschutz, Umweltmanagement, Projektentwicklung,
  • Regelungen zur Berufsausbildung,
  • Erlassen von Gesellenprüfungsordnungen und Meisterprüfungsordnungen für die einzelnen Handwerke,
  • Durchführung von Fortbildungen, Fach- und Sachkundeschulungen, Tagungen, Seminaren,
  • Technische Dienstleistungen (Orientierungsmessungen, Wohngiftcheck, Betreuung von Kleinbetrieben),
  • Führung der Handwerksrolle.
Die Handwerksrolle ist ein von der zuständigen Handwerkskammer geführtes Verzeichnis, in dem alle selbstständigen Handwerker des Bezirks eingetragen sind. Es werden alle Handwerker berücksichtigt, die ihr Handwerk als stehendes Gewerbe betreiben. In der Handwerksrolle wird eingetragen, wer in dem von ihm zu betreibenden Handwerk oder in einem diesem verwandten Handwerk die Meisterprüfung bestanden hat. Nur wer in der Handwerksrolle der Handwerkskammer eingetragen ist, darf ein selbstständiges Handwerk ausüben. Die Eintragung bedeutet eine Aufnahme in ein öffentliches Register und wird bei den zuständigen Handwerkskammern vorgenommen. Ist ein Handwerker nicht in der Handwerksrolle eingetragen und übt trotzdem sein Gewerbe aus, so wird dies als Schwarzarbeit bezeichnet.


Die Handwerksordnung

In der Handwerksordnung (HandwO oder HwO) wird festgelegt, mit welchen Freiheiten ein Handwerk ausgeübt werden kann. Die Handwerksordnung ist für das Handwerk maßgeblich. Die Handwerksordnung trennt zwischen zulassungspflichtigem und zulassungsfreiem Handwerk. Voraussetzung für den Betrieb des zulassungspflichtigen Handwerks ist die Eintragung in die Handwerksrolle. Das Gesetz zur Ordnung des Handwerks umfasst fünf Teile und mehrere Anlagen:
  • 1. Teil: Ausübung eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes (§§ 1 - 20). Dieser Teil beschreibt die Berechtigung zum selbstständigen Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, die Handwerksrolle, zulassungsfreie Handwerke und handwerksähnliche Gewerbe.
  • 2. Teil: Berufsbildung im Handwerk (§§ 21 - 44b). Mit diesen Paragraphen werden u. a. die Berechtigungen zum Einstellen und Ausbilden, das Prüfungswesen, die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung festgelegt.
  • 3. Teil: Meisterprüfung, Meistertitel (§§ 45 - 51d). In diesem Abschnitt werden die Bedingungen der Meisterprüfungen geregelt.
  • 4. Teil: Organisation des Handwerks (§§ 52 - 116). Hier werden Aussagen zu den Handwerksinnungen, Innungsverbänden, Kreishandwerkerschaften und Handwerkskammern getroffen.
  • 5. Teil: Bußgeld-, Übergangs- und Schlussvorschriften (§§ 117 - 125). Festlegungen zu Bußgeldvorschriften, Übergangsvorschriften und Schlussvorschriften werden im fünften Teil getroffen.
Der Handwerksordnung sind außerdem mehrere Anlagen beigefügt:
  • Anlage A: beinhaltet das Verzeichnis der 41 zulassungspflichtigen Vollhandwerken.
  • Anlage B: ist das Verzeichnis der Gewerbe, die als zulassungsfreie Handwerke oder handwerksähnliche Gewerbe betrieben werden können. Es sind 57 Handwerke auf der Liste, die keinen Qualifikationsnachweis als Voraussetzung für die Selbstständigkeit erfordern.
  • Anlage C: ist die Wahlordnung für die Wahlen der Mitglieder der Vollversammlung der Handwerkskammern.
  • Anlage D: ist die Konkretisierung der Art der in der Handwerksrolle eingetragenen personenbezogenen Daten sowie die Daten im Inhaberverzeichnis der zulassungsfreien Handwerke und der Daten in der Lehrlingsrolle.



Die Handwerksrechtsnovelle 2004

Die sog. Handwerksrechtnovelle trat zum 1. Januar 2004 in Kraft. Die Änderungen sollen zur Strukturverbesserung auf den Handwerksmärkten und zu mehr Wachstum und Beschäftigung beitragen. Ein Kernstück ist die Änderung der Vorschriften über das Meisterprüfungswesen. Der Meisterzwang ist nun auf die 41 zulassungspflichtigen Handwerke beschränkt. In zulassungsfreien Handwerken können sich, bis auf wenige Ausnahmen, erfahrene Gesellen auch in zulassungspflichtigen Handwerken selbstständig machen. Bisher war dies nur geprüften Meistern vorbehalten. Voraussetzung dafür ist der Nachweis der praktischen Tätigkeit von sechs Jahren, wobei vier Jahre davon in leitender Position ausgeübt wurden. Der sog. Meisterzwang wurde dadurch abgeschafft, was zum Teil kritisiert wurde. Beispielsweise wird ein Verlust der hohen Qualifikation von Handwerksunternehmern befürchtet. Weitere Neuerungen sind der Zugang zum Handwerk für Ingenieure und Hochschulabsolventen sowie staatlich geprüfte Techniker. Das Inhaberprinzip wurde abgeschafft. Unternehmen, die ein zulassungspflichtiges Handwerk betreiben, können dies auch ausüben, wenn ein Meister als Betriebsleiter eingestellt wurde.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich, Wiebke Hebold
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.07.2012