Infoblatt Modell des sektoralen Wandels nach Fourastié


Unterteilung des Wirtschaftssystems in Sektoren

Mit seinem in den 1950er Jahren entwickelten Modell des sektoralen Wandels hat der französische Ökonom Jean Fourastié eine der bedeutendsten Theorien zum gesellschaftlichen Strukturwandel aufgestellt. Auf die Arbeiten der Ökonomen Clark und Fisher aufbauend unterteilt er das Wirtschaftssystem in drei Produktionssektoren:
  • Primärer Sektor: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
  • Sekundärer Sektor: Produzierendes Gewerbe (Bergbau, Industrie, Handwerk etc.)
  • Tertiärer Sektor: Dienstleistungen (Handel, Verkehr, Kommunikation etc.)


Über diese Klassifikation der Wirtschaftsbereiche hinaus geht Fourastié der Frage nach, wie sich die Bedeutung der drei Sektoren im Verlaufe der wirtschaftlichen Entwicklung verändert. Er kommt dabei zum Ergebnis, dass sich im langfristigen Verlauf die Bedeutung zunächst vom primären Sektor zum sekundären und später zum tertiären Sektor verschiebt. Werden beispielsweise die Anteile der Beschäftigten in den einzelnen Sektoren betrachtet, so zeigt sich, dass in traditionellen, nur gering entwickelten Volkswirtschaften der weitaus größte Teil der Beschäftigten mit über 80 % im primären Sektor, also im Agrarbereich, tätig ist. Im Laufe des Industrialisierungsprozesses wächst der Anteil der in Bergbau, Industrie und Handwerk Beschäftigten auf über 50 %; der Anteil im primären Sektor geht dementsprechend zurück. Mit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung schließlich erhält der tertiäre Sektor die überragende Bedeutung und der Anteil der Beschäftigten wächst hier auf 60 bis 70 % zulasten der anderen beiden Bereiche.
Wie aber lässt sich dies nach Fourastié erklären? Die entscheidende Rolle spielt in seiner Theorie der technische Fortschritt und seine Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität der einzelnen Sektoren sowie die Einkommensentwicklung. Unter Arbeitsproduktivität wird das Verhältnis zwischen dem Produktionsergebnis und der eingesetzten Arbeitsleistung (z. B. gemessen an der Zahl der Beschäftigten) verstanden. Demnach unterscheidet Fourastié die drei Sektoren folgendermaßen:
  • Im primären Sektor ist der technische Fortschritt mittelmäßig stark, d. h. die Arbeitsproduktivität steigt hier nur mäßig im Laufe der Entwicklung.
  • Im sekundären Sektor ist stets ein großer technischer Fortschritt zu verzeichnen.
  • Im tertiären Sektor gibt es dagegen keinen oder nur geringen technischen Fortschritt, so dass die Arbeitsproduktivität nicht ansteigt.
Zunächst kann also durch den Einsatz neuer Technologien die Produktivität in der Landwirtschaft erhöht werden, z. B. durch neue Anbaumethoden, Düngemitteleinsatz etc. Gleichzeitig entsteht mit der Industrialisierung eine Einkommenssteigerung und eine Erhöhung der Nachfrage nach Industriegütern, so dass die Arbeitskräfte, die in der Landwirtschaft keine Arbeit mehr finden in der Industrie beschäftigt werden. Im Weiteren kommt es aber auch im sekundären Sektor zu technischem Fortschritt, so dass beispielsweise durch die Erfindung und den Einsatz von Maschinen die Produktivität steigt, also immer weniger Arbeitskräfte benötigt werden. Gleichzeitig steigt infolge der Einkommenserhöhung die Nachfrage nach Dienstleistungen weiter an, so dass nach Fourastié im tertiären Sektor, wo es keinen technischen Fortschritt gibt, alle Arbeitskräfte Aufnahme finden, die in den anderen Sektoren nicht mehr benötigt werden. Somit gäbe es am Ende der Entwicklung keine Arbeitslosigkeit. Ist dieses Stadium erreicht, wird dann von einer Dienstleistungsgesellschaft gesprochen.
Fourastiés Modell hat dazu beigetragen, den gesellschaftlichen Wandel auf Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur, insbesondere auf die Erhöhung der Arbeitsproduktivität zurückzuführen. Zur Kritik lässt sich anfügen, dass sich Fourastié in der These, im tertiären Sektor sei keine Steigerung der Arbeitsproduktivität möglich, irrte. Heute wissen wir, dass durch den Einsatz von Computern in Büros die Produktivität enorm gestiegen ist. Man denke z. B. an die Erfindung von Geldautomaten, die zahlreiche Schalterangestellte in Banken ersetzen. Somit trifft Fourastiés Modell nur zum Teil zu.


Literatur

Fourastié, J. (1954): Die große Hoffnung des zwanzigsten Jahrhunderts. Köln.
Kulke, E.; Nuhn, H. & P. Jurczek (1998): Dienstleistungen. In: Kulke, E. (Hrsg.): Wirtschaftsgeographie Deutschlands, 157-162.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Alexander Grimm
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.05.2012