Marco Polo (1254 - 1324)


Kaufmann aus Venedig

Venedig war im Mittelalter ein selbstständiger Staat, dessen Bevölkerung vom Handel lebte. Venedig beherrschte - zusammen mit Genua - den Seehandel im Mittelmeer. Aber Venedigs Kaufleute betrieben auch Handel über Land, und zwar über weite Entfernungen. Besonders begehrt und daher wertvoll waren zu der Zeit Gewürze und Seidenstoffe, die aus dem fernen China kamen. Die Transporte mit Tragtieren, z. B. mit Kamelen, dauerten häufig Jahre. Die alten Handelswege in Zentralasien sind noch heute unter dem Namen "Seidenstraße" bekannt. Eine zusätzliche Schwierigkeit war es, dass die Kaufleute Venedigs nur über arabische Kaufleute tätig werden konnten, die den Handel im Gebiet zwischen dem Herkunftsland China und Europa beherrschten.

Die Familie Polo war eine solche Kaufmannsfamilie in Venedig. Nachdem die Brüder Polo schon einmal bis ins ferne China gereist und dort vom Mongolenherrscher Kublai Khan freundlich empfangen worden waren, machten sie sich 1271 erneut auf die Reise. Mit ihnen reiste der junge Marco, der Sohn eines der Polo-Brüder. Vier Jahre brauchten die Kaufleute für die Reise durch Persien und über das Pamir-Gebirge bis in die Mongolenhauptstadt Peking. Hier wurde Marco Polo bald zum Vertrauten von Kublai Khan, er lernte rasch die Sprache und reiste im Auftrag des Herrschers im gesamten Mongolenreich herum. Das umfasste zu der Zeit die heutige Mongolei, China und reichte bis Indien und Sumatra. Erst nach 24 Jahren kehrte Marco Polo nach Venedig zurück.

Durch einen Zufall traf Marco Polo auf einen Schriftsteller, der seine Reiseerlebnisse aufschrieb und damit den Menschen in Europa bekannt machte. So erfuhren hier die Menschen zum ersten Mal Genaueres über jenes ferne Gebiet, aus dem Gewürze, Seide und Porzellan stammten. Dort gab es große Städte, die Menschen benutzten Papiergeld und wärmten sich am Kohlenfeuer. Gut ausgebaute Straßen und große Schiffe auf dem Meer waren für den Handel wichtig. In dem riesengroßen Reich lebten sehr unterschiedliche Völker zusammen, das war nur möglich durch eine gut organisierte Verwaltung. Für die Europäer waren diese Berichte des Marco Polo besonders deswegen sensationell, weil sie bisher ihre eigene, vom Christentum geprägte Kultur für die wichtigste und allen anderen Kulturen überlegene gehalten hatten. Nun erfuhren sie, dass es auch Kulturen mit hoch entwickeltem geistigen Leben völlig unabhängig vom Christentum gab.

Dass die Europäer nun über dieses Wissen verfügten, das war das große Verdienst von Marco Polo. Zwar wurde schon sehr bald und bis heute bezweifelt, dass der junge Venezianer tatsächlich in China gewesen war. Kritiker meinten, Marco Polo sei selbst nur bis Persien gekommen und habe die Informationen seinerseits aus den Erzählungen von Reisenden entnommen. Tatsache ist jedoch, dass seine Berichte nun das Interesse der Europäer geweckt hatten. Nun wollte man unbedingt jene fernen reichen Länder erreichen, und zwar möglichst auf dem Seeweg. So waren die Berichte Marco Polos der Auslöser für die Entdeckungsreisen. Zuerst waren es die am Atlantik liegenden Länder Spanien und Portugal, in denen Reisen vorbereitet und Schiffe ausgerüstet wurden. Die Notwendigkeit, einen Weg übers Meer zu suchen, verschärfte sich noch: 1453 eroberten die Türken Konstantinopel (Istanbul), damit war der früher übliche Landweg versperrt.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Jürgen Bünstorf
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2007
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 04.12.2007