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Ventspils/Lettland - einer der größten Häfen der Ostseeregion - Ein Beispiel für die Stadt- und Hafenentwicklung im Baltikum


Lettland, Ventspils, Hafen, Ostsee, Erdöl


Ventspils

Ventspils liegt im Nordwesten Lettlands an der Mündung des Flusses Venta in die Ostsee. Dieser größte Hafen der baltischen Länder, ja des ganzen Ostseeraums ist mit 43.806 Einwohnern (2006) die sechstgrößte Stadt Lettlands.


Städte Lettlands (Einwohnerzahlen gerundet; nach Größe; 2006)

Riga (Hauptstadt) 727.578
Daugavpils (Dünaburg) 109.482
Liepaja (Libau) 85.915
Jelgava (Mitau) 66.087
Jurmala 55.602
Ventspils (Windau) 43.806
Rezekne 36.646



Die Entwicklung der Einwohnerzahlen und die ethnische Struktur der Bevölkerung sind durchaus symptomatisch für baltische Städte, die ja in aller Regel ihren Ursprung in der Kolonisierung durch den Deutschen Orden haben; somit waren sie bis ins frühe 20. Jahrhundert überwiegend deutsch beeinflusst und erlebten häufig ab ungefähr 1900 mit der Bedeutungszunahme von Industrie und Handel in Deutschland einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg wurden alle drei baltischen Staaten eigene Republiken, die dann im Zweiten Weltkrieg zuerst von Deutschland, schließlich von der Sowjetunion annektiert wurden. Seit 1945 waren sie – gezwungenermaßen – Sowjetrepubliken und unterstanden so der Zentrale in Moskau. 1989 forderten Estland, Lettland und Litauen als erste Teilrepubliken die Unabhängigkeit von der Sowjetunion; und nach dem Ende der UdSSR blieben sie als einzige dem Staatenverbund der "GUS" fern.


Entwicklung der Einwohnerzahl von Ventspils (Werte gerundet)

bis 17. Jhd. 1.500 - 2.000
1900 7.000
1914 24.000
1960 28.000
1980 48.000*
2001 44.000**

* Starke Migration aus sowjetischen Teilrepubliken, besonders unter dem Aspekt der "Russifizierung"
** Abwanderung vorher Zugezogener (siehe *) sowie russischer Soldaten, z. T. mit Angehörigen




Anteil der einzelnen ethnischen Gruppen an der Bevölkerung von Ventspils (2005)

Letten 57,6 %
Russen 29,6 %
Weißrussen 4,1 %
Ukrainer 2,7 %
Polen 2,5 %
Litauer 1,4 %
Sonstige 2,1 %


Im Hinblick auf geschichtliche Vorgänge und Veränderungen ist ein Vergleich mit 1863 interessant, als zum ersten Mal eine statistische Erhebung vorgenommen wurde. Der Anteil an deutscher Bevölkerung betrug damals 74,6 %; 19,6 % der Einwohner waren Letten und nur 3,7 % Russen.


Ventspils Free Port

Ventspils´ ganzjährig eisfreier Hafen ist im Gebiet der Ostsee mit 29,062 Mio. Tonnen (2006) einer der größten Häfen. Damit er jedoch weit entfernt vom bisher stärksten Jahr 2002 mit einem Gesamtumschlag von 37,937 Mio. Tonnen.
Die ehemals führende Stellung verdankte der Hafen vor allem der Tatsache, dass er lange Zeit der wichtigste Ostseehafen für den Export von Rohöl und Rohölprodukten war. Über das Pipelinenetz der LOTR (Latvijan Oil Transit Route) gelangt Erdöl aus Russland und anderen GUS-Staaten zum Hafen, um von dort ausgeführt zu werden. 2001 wurde jedoch im russischen Ostsee-Hafen Primorsk ein Verladeterminal für Öl errichtet, um damit die Transitländer im Ostseeraum zu umgehen. Primorsk ist Endpunkt des ersten Bauabschnitts des von der Ölraffinerie Kirischi ausgehenden "Baltischen Pipeline-Systems".
Seit Anfang 1997 hat der Hafen Ventspils den Status eines Freihafens in einer sog. Sonderwirtschaftszone. Dies ist besonders bedeutsam, da man so hofft, durch Vergünstigungen Investoren anlocken zu können. Hierbei geht das Augenmerk vor allem auf ausländisches Kapital und Firmen, die sich in Ventspils bzw. im Hafen ansiedeln oder mit einheimischen Firmen joint ventures eingehen sollen.
Neben Erdöl und Erdölprodukten sind auch andere, traditionelle Produktbereiche für den Güterumschlag von Bedeutung, wie z. B. Fischfang und -verarbeitung oder der Export von Holz bzw. Holzprodukten (wie Furnieren). Sie machten im Jahr 2006 gut 38 % des Gesamtumschlags im Hafen aus.
Die Gesamtlänge der Kaianlagen beträgt rund 11 km, erreichbar für Schiffe bis 130.000 DWT. Das gesamte Areal des Hafens umfasst eine Fläche von 2.623,94 ha, von denen jedoch 1.240 ha derzeit noch freie Reserveflächen bilden.



Daten zum Güterumschlag in Ventspils (2006)

gesamt: 29,062 Mio. t, das enthält:
  • 61,9 % flüssige Massengüter (Rohöl, Rohölprodukte)
  • 29,6 % feste Massengüter (chemische Produkte, Kohle)
  • 8,5 % Containerverkehr, Holz




Umweltschutz

Im Gegensatz zu den anderen GUS-Staaten spielt in den baltischen Ländern der Umweltschutz schon seit den frühen 1990er Jahren eine Rolle. So wurde 1992 die erste Umweltstudie Osteuropas für die Stadt und den Hafen von Ventspils durchgeführt. Mit Hilfe niederländischer Experten wurden die Umweltbedingungen und -risiken untersucht. In der Folge entstand eine eigene Planungsbehörde, der "Ventspils Environmental Policy Plan" (EPP), dessen Ziel der Ausgleich von wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz ist und der 150 Messstellen im Stadt- und Hafengebiet unterhält.

Hauptziele sind:
  • Reduzierung der Umweltrisiken beim Ammonium Terminal,
  • Reduzierung der Kontaminationen im Fluss Venta und in der Ostsee durch Öl und Ölprodukte,
  • Senkung der Luftverschmutzung,
  • Maßnahmen zur Verbesserung der Stadtökologie.
Mittlerweile gibt es den sog. "EPP III" für das erste Jahrzehnt des dritten Jahrtausends mit folgenden Schwerpunkten:
  • Verbesserung der Trinkwasserqualität,
  • Bau eines Wasserver- und entsorgungsnetzes für die gesamte Bevölkerung,
  • Abgasreduzierung beim Verkehr und in den privaten Haushalten,
  • Maßnahmen gegen die Luftbelastung der ökologisch und ökonomisch wichtigen Wälder.
Hauptproblem ist hier – wie in allen anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion – der notwendige Kapitalbedarf und das richtige Know-how für die Durchführung solcher Maßnahmen. Die Lösung liegt wohl in zwei Bereichen: Zum einen in der Kooperation mit westeuropäischen Firmen und Institutionen und zum anderen in der Förderung durch die EU.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Arno Kreus, Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2002/2008
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 08.01.2008
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