Lexikon

Suche


Bitte hier Suchbegriff eingeben.


Borchert, Wolfgang

Drucken

* 20. 5. 1921 in Hamburg
† 20. 11. 1947 in Basel


Zunächst als Buchhändler, dann als Schauspieler tätig, kam der 20-jährige Borchert 1941 an die Ostfront. Er wurde zweimal wegen „Wehrkraftzersetzung“ zu Haft verurteilt und kehrte 1945 schwer erkrankt nach Hamburg zurück. In Kurzgeschichten (Das Brot, Nachts schlafen die Ratten doch) und manifestartigen Texten (Generation ohne Abschied, Das ist unser Manifest, Dann gibt es nur eins: sag nein) brachte er das Bewusstsein der vom Zusammenbruch aller Werte existentiell erschütterten „verlorenen Generation“ zum Ausdruck. Zum Frühwerk gehören Gedichte und die Erzählung Schischyphus oder Der Bekannte meines Onkels, in der zwei vom gleichen Sprachfehler betroffene, völlig gegensätzliche Männer Freunde werden. Borchert starb einen Tag vor der Uraufführung seines kurz zuvor als Hörspiel gesendeten Dramas Draußen vor der Tür. 1949 erschien das Gesamtwerk.

Draußen vor der Tür. Drama, U 1947, Verf. u. d. T. Liebe 47 Dtl. 1948 Wolfgang Liebeneiner.
Ein Vorspiel zeigt den Tod als „total überfressenen“ Beerdigungsunternehmer und einen alten, hilflosen Gottvater. Im Mittelpunkt steht der Kriegsheimkehrer Beckmann, ein „Gespenst“. Er hat einen anderen bei seiner Frau vorgefunden und will sich das Leben nehmen. Doch die Elbe akzeptiert seinen Selbstmord nicht; er wird an die Menschen verwiesen, die ihm gewiss helfen werden. Eine Folge von Spielszenen in der Tradition des Stationendramas beweist das Gegenteil. Zwar nimmt eine Frau Beckmann auf, doch deren eigener vermisster Mann kehrt als Einbeiniger auf Krücken heim. Der Oberst, dem Beckmann die Verantwortung für den Tod der ihm bei einem Spähtruppunternehmen unterstellten Soldaten zurückgeben will, hat sich längst im Zivilleben eingenistet; Beckmanns Alptraum vom blutigen General mit Knochenxylophon belustigt ihn. Der Kabarettdirektor vermisst an Beckmanns Probevortrag „das Positive“. Im Elternhaus berichtet eine kaltschnäuzige Frau Kramer vom Selbstmord der „alten Leute“. Beckmanns eingefügte Monologe reflektieren die Szenen in einer eruptiven, zwischen schneidender Kälte und Aufschrei gespannten Sprache. Eine Traumszene reiht die „Mörder“ Beckmanns, bis ihn der Einbeinige seinerseits zur Rechenschaft zieht und er erkennt: „Wir werden jeden Tag gemordet, und jeden Tag begehen wir einen Mord.“ Das Stück verhallt in dem Schrei: „Gibt denn keiner eine Antwort“, nachdem auch der Jasager verschwunden ist.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009