TERRA-Online Lehrerservice

Atacama - Entstehungsbedingungen einer Küstenwüste




Atacama (von der Ruhren)

Entlang der peruanisch-chilenischen Pazifikküste erstreckt sich über 3.500 km zwischen 5°S und 28°S eines der niederschlagsärmsten Gebiete der Erde: die Atacama. Nackte vegetationslose Flächen mit ausgetrockneten Dünenfeldern und Salztonebenen, abflusslose Becken und Trockenschluchten, öde aschfahle Ebenen und sonnendurchglühte Steinpflaster beherrschen weithin das Land.


Klimatische Gegebenheiten

Kaum eine Station an der Küste hat Niederschlagswerte von mehr als 20 mm im Jahr aufzuweisen. Die Pampa del Tamarugal, Teil der chilenischen Atacama, darf thermisch und hygrisch als die extremste Wüste der Erde angesehen werden. Bei einer potenziellen Verdunstung von bis zu 4.000 mm fallen in weiten Bereichen nicht mehr als 10 mm Niederschlag im Jahr. An manchen Stellen wurde dort in historischer Zeit noch niemals Regen festgestellt.
Die extreme Aridität ist insofern ungewöhnlich, als diese Atacama im unmittelbaren Einflussbereich der tropischen Gewässer des Pazifiks liegt und - trotz der Lage in den Inner- bzw. Randtropen - relativ gemäßigt ist. Die Lufttemperaturen weisen eine für diese Breiten ungewöhnliche negative Anomalie von 4 - 6 °C auf. Unter dem Einfluss des Meeres sind auch die Jahres- und Tagesschwankungen sehr gering. Die Atacama ist durch ein gegensatzschwaches Klima gekennzeichnet.



Januar- und Julitemperaturen der südlichen Breitenkreise (Kurve) im Vergleich mit den Durchschnittstemperaturen von sechs chilenischen Stationen (Punkte) (von der Ruhren)

Die klimatischen Verhältnisse der Atacama sind noch durch eine weitere Besonderheit gekennzeichnet: Trotz der Niederschlagsarmut ist die Luftfeuchtigkeit bemerkenswert hoch. Sie liegt vielfach zwischen 80 und 89 Prozent. In den Wintermonaten liegt ständig eine Wolkendecke über dem Land und dem küstennahen Meer. Nur selten reißt sie auf. Die Luftfeuchtigkeit kann dann tagelang Werte von bis zu 100 Prozent erreichen. Aber es regnet nicht. So erklären sich die Bezeichnungen „Feuchtluftwüste“ bzw. „Nebelwüste“.
Schließlich trifft auf die peruanisch-nordchilenische Wüste auch die zonale Anordnung der Vegetationsgürtel der Tropen nicht zu, welche der meridionalen Ausdehnung der Atacama über 3.500 km entsprechen würde: tropischer Regenwald, Feuchtsavanne, Trockensavanne, Dornsavanne, Halbwüste. Die Atacama reicht meridional durch die genannten Zonen hindurch. Sie ist eine „azonale“ Wüste. Im Norden am Golf von Guayaquil erfolgt der Übergang zum tropischen Regenwald fast unmittelbar; im Süden geht die Wüste auf nur schmalem Grenzsaum in die Winterregengebiete Chiles über.


Entstehungsbedingungen der Küstenwüste

Zum Verständnis der speziellen Klimabedingungen und zur Erklärung der Entstehung der Küstenwüste sind mehrere Faktoren zu nennen:
  1. die fast ganzjährig küstenparallel wehenden Passatwinde aus südlicher bis südöstlicher Richtung mit ablandiger Tendenz,
  2. die Sperrwirkung der Hochgebirgsketten der Anden,
  3. die außergewöhnlich stabile Lage der pazifischen Antizyklone vor der Küste,
  4. der Einfluss des kalten Humboldtstroms und kalter Auftriebswässer vor der Küste.



Die Passatwinde und die Sperrwirkung der Anden

Die aus Süden und Südosten wehenden Passatwinde bringen dem Küstenbereich Perus und Nordchiles keine Niederschläge. Als trockene Winde wehen sie fast während des ganzen Jahres äquatorwärts, also von kühleren in wärmere Gebiete, entweder küstenparallel oder mit geringer ablandiger Tendenz. Sie erwärmen sich also und bringen somit auch keine Niederschläge. Gegen einen möglichen Feuchtetransport von Osten ist die chilenisch-peruanische Wüste durch den Gebirgsblock der Anden abgeschirmt. Mit seinen Höhen von über 6.000 m ist er für den Wasserdampftransport praktisch unüberwindbar. Beim Abstieg in die Küstenzone erwärmt sich die Luft unter Wolkenauflösung.


Die Wirkung der pazifischen Antizyklone

Die Luftdruckverteilung an der Westküste Perus und Nordchiles ist außerordentlich stabil. Das Zentrum der klimabestimmenden Antizyklone liegt in der Regel bei 30°S und 100°W. Im Südsommer verlagert sie sich bis auf etwa 35°S, im Südwinter rückt sie nach Norden bis auf etwa 25°S. Auch der Abstand vom Festland wechselt nur minimal.
Dieses subtropische Hoch bildet eine Sperrschicht (Inversion) über dem kalten Meerwasser. Durch Absinkvorgänge kommt es an der Untergrenze der Inversion zur Bildung von Hochnebeln, die auch durch die Sonnenstrahlung kaum aufgelöst werden. Für den unmittelbaren Küstenbereich ist außerdem entscheidend, dass der Ostrand der Antizyklone mehr oder weniger genau mit der Küstenlinie übereinstimmt. Dadurch ergibt sich über der Küste ein zusätzlicher Divergenzeffekt: Die Luftmassen sinken zum Erdboden ab, erwärmen sich und haben somit eine austrocknende Wirkung.


Die klimatischen Auswirkungen des Humboldtstroms und der kalten Auftriebswässer

Der Humboldtstrom, auch Perustrom genannt, ist die primäre Ursache sowohl für die Regenarmut als auch für die Bildung der Küstennebel und der tiefliegenden Wolkendecke am westlichen Andenrand. Als kalter, nach Nordwesten fließender Strom begleitet er die Westküste Südamerikas über 8.000 km von etwa 45°S bis zu den Galpapagos-Inseln, wo er nach Westen umbiegt und sich unter dem Äquator nach Neuguinea fortsetzt. In einem 140 bis 270 km breiten Streifen bringt er kaltes subantarktisches Wasser von Süden nach Norden. Der ständig wehende Südostpassat und die ablenkende Corioliskraft bewirken eine ablandige Bewegung des Oberflächenwassers, wodurch ein Auftrieb von kaltem Wasser aus tieferen Schichten im unmittelbaren Küstenbereich verursacht wird. So rufen der Humboldtstrom und die kalten Auftriebswässer eine beachtliche klimatische Abweichung hervor. An der peruanischen Küste, also im Bereich der inneren Tropen (5 °S - 18 °S) herrschen Oberflächentemperaturen, wie sie normalerweise nur in den Meeren in einer Breitenlage von 40° vorkommen. Die niedrigsten Temperaturen werden in unmittelbarer Küstennähe gemessen. Diese negative Anomalie muss als die primäre Ursache der Wüstenbildung im Küstenbereich angesehen werden.



Luftdruck- und Strömungsverhältnisse am äquatorialen Westrand Südamerikas (Klett)

Die im Kontakt mit dem Humboldtstrom und dem kalten Auftriebswasser abgekühlte untere Schicht der Atmosphäre wird in ca. 800 bis 900 m NN von der tropischen Warmluft überlagert. Dadurch bildet sich in der Grenzzone der beiden Luftmassen ein Temperatursprung von ca. 10 °C, der als Sperrzone nicht nur die Sonneneinstrahlung einschränkt, sondern auch jede vertikale Luftbewegung weitgehend verhindert. Unterhalb der Sperrzone sammelt sich zwar viel Luftfeuchtigkeit, die durch Strahlungsabkühlung zu einer dünnen Wolkendecke kondensiert wird. Diese Sperrzone unterbindet aber eine weitere Verdichtung der Wolken und damit eine Kondensationsbildung. Das Ergebnis: Die Atacama liegt während des gesamten Jahres, mit Unterbrechungen von allenfalls zwei bis drei Stunden am Nachmittag, unter einer geschlossenen Wolkendecke. Die mittlere relative Luftfeuchtigkeit übersteigt im bodennahen Bereich ganzjährig 80 % (Station Lima), die mittleren jährlichen Niederschläge betragen jedoch nur 10 mm.


Literatur

  • Abele, G.: Die nordchilenisch-peruanische Andenabdachung – eine Landschaft der Extreme. In: Geographische Rundschau H. 2/1987, S. 98-106
  • Veit, H.: Klima- und Landschaftswandel in der Atacama. In: Geographische Rundschau H. 9/2000, S. 4-9
  • Weischet, W.: Zur Klimatologie der Nordchilenischen Wüste. In: Meteorologische Rundschau 1966, H. 1, S. 1-7



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Norbert von der Ruhren
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 12.02.2012