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Das Bitterfeld-Syndrom



Bitterfeld-Syndrom

"Das Bitterfeld-Syndrom bezeichnet die (Schwermetall-) Kontamination von Industrieagglomerationen. Durch veraltete Industrieanlagen und Deponien, deren Aufrüstung entsprechend neuerer technologischer Standards versäumt wurde, kam es hier zu lokaler Kontamination von Böden und Gewässern … Ferner finden sich hier auch ökologische Störungen und eine erhöhte Gesundheitsgefährdung …"
Siewert, Almut und Angelika Heil: Umweltrisiken durch Umweltchemikalien. Universität Hamburg 11/2005



Einspülung von Abwässern in den so genannten "Silbersee" / Ufer des "Silbersees" – im Hintergrund VEB Filmfabrik Wolfen


Bitterfeld-Wolfen in der Zeit der DDR

"Bitterfeld-Wolfen war zu DDR-Zeiten nicht nur ein bedeutender Braunkohlenstandort, sondern neben den Chemiekombinaten in Leune und Buna/Schkopau einer der wichtigsten Chemiestandorte der DDR. 4500 Produkte wurde einst in Bitterfeld hergestellt, die vier Fünftel aller in der DDR-Industrie und -Landwirtschaft erzeugten Güter beeinflussten. Das Chemiekombinat Bitterfeld und das Fotochemische Kombinat ORWO (ORiginal WOlfen) Wolfen, in denen insgesamt 32000 Frauen und Männer arbeiteten, waren aber auch Dreckschleudern. Jährlich 58000 Tonnen Staub und mehr als 120000 Tonnen Schwefeldioxid wurden aus den Schornsteinen der Kombinate in die Luft geblasen. Die Region galt zu DDR-Zeiten als Synonym für Umweltverschmutzung. Der berüchtigte 'Silbersee' war ein beispiel dafür. Die einstiege [Braunkohlen-] Grube Johannes, in die ab 1921 Schlämme der Filmfabrik geleitet wurden, bekam später wegen der gelartigen Flüssigkeit im Volksmund den namen 'Silbersee'. Von 1955 bis zur Wende wurden dort jährlich bis zu 30 Millionen Kubikmeter Abwässer eingeleitet [davon bis zu 14 kg Quecksilber pro Tag]. Etwa 2,7 Millionen Kubikmeter Schlamm hatten sich so in bis zu zehn Meter mächtigen Schichten abgelagert. Erst mit der Stilllegung der Chemiefaserproduktion in der Filmfabrik Wolfen 1989/90 sank die Abwasserlast."
http://de.news.yahoo.com/17/20090410/tsc-statt-silbersee-jetzt-solarzellen-ch-fc81333.html, April 2009



Chemische Betriebe in Bitterfeld 1989

Die damals 29jährige Journalistin Heidi Mühlenberg recherchierte zur Zeit der Wende die Umweltskandale im Raum Bitterfeld, die in der DDR tot geschwiegen wurden. Ihre Ergebnisse fasste sie 1991 in der Dokumentation "Panikblüte – Bitterfeld-Report" zusammen. Da dies das erstemal war, dass die Kontamination von Böden (durch Abwässer und Schadstoffeintrag) am konkreten Raumbeispiel so intensiv belegt und dargestellt wurde, formte man für alle ähnlichen Fälle den Begriff "Bitterfeld-Syndrom".

1989 Strukturwandel in Zahlen 2005

2 Anzahl der Betriebe, davon: 360
2 - Produktionsbetriebe 60
- Dienstleistungsbetriebe 300
33.000 Beschäftigte 11.000
Luftbelastung:
0,76 - Staubablagerung in Gramm/m²/Tag 0,08
200,0 - Schwefeldioxid in Mikrogramm/m³/Luft 5,0
Gewässerbelastung
3.051,0 - Quecksilber in Kilogramm/Jahr 1,0
22,0 - Cadmium in Kilogramm/Jahr 0

Strukturwandel in Bitterfeld in Zahlen




"Silbersee" heute


Wandel am Silbersee

"'Deponiegelände - Unbefugten ist der Zutritt verboten', steht an den Schildern entlang des umzäunten Geländes. Familie Steck wohnt nur wenige hundert Meter vom 'Silbersee' entfernt … im Bitterfelder Ortsteil Greppin. Die Situation heute sei mit der vor mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr zu vergleichen, sagt Gerda Steck. Es seien damals schlimme Zeiten mit Gestank und Dreck gewesen. Inzwischen habe sich vieles normalisiert …: 'Was heute in unserem Garten wächst, ist Bio.'
Der in den vergangenen Jahren vollzogene Wandel in der Chemie in Bitterfeld-Wolfen gilt inzwischen als Vorzeigeobjekt für deutsche und internationale Chemiestandorte. Aus den einstigen Kombinaten wurde durch Abriss, Sanierung [einschließlich Flächensanierung] und Umbau ein 1200 Hektar großer Chemiepark."
Korby, Wilfried: Bodendegradation - Unser Boden in Gefahr?! In: TERRA global. Stuttgart, Leipzig: Klett Verlag 2006, S. 16


Aufgaben

  1. Erläutern Sie Ursachen des Bitterfeld-Syndroms.
  2. Beschreiben Sie den Wandel in der Region hin zu wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit.
  3. Stellen Sie aufgrund einer Recherche bei Ihrer Stadtverwaltung (Umweltamt) Bodenbelastungen in ihrer Gemeinde dar.



Autor: Arno Kreus
Verlag: Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart, Leipzig
Quellendatum: 2009
Bearbeitungsdatum: 14.09.2010