TERRA GSE-Online


Infoblatt Massentourismus


Entwicklung, Formen, Folgen und Zukunft



(Butz)

Der Massentourismus ist Ausdruck für die vornehmlich in westlichen Industrieländern zu beobachtende Erscheinung, dass die Reiseintensität der Bevölkerung hohe Werte erreicht und somit ein erheblicher Bevölkerungsanteil am Fremdenverkehr teilnimmt. Im Gegensatz zum Individualtourismus spielt sich der Massentourismus meist in organisierter Form ab und hat als Ziel stark frequentierte Fremdenverkehrsgebiete. Massentourismus gilt zwar als eine moderne Form des Freizeitverhaltens, die Anfänge reichen jedoch bis in das 19. Jahrhundert zurück.


Entwicklung des Massentourismus

Die Anfangsphase des neuzeitlichen Tourismus begann mit der Industrialisierung und der damaligen Erfindungen und Konstruktion von Massentransportmitteln wie Eisenbahn und Dampfschiff. Zunächst waren die Gesellschaftsreisen nur elitären Bevölkerungsschichten vorbehalten. Aber durch die veränderten Arbeitsbedingungen wurde der Ruf nach kürzeren Arbeits- und längeren Erholungszeiten laut. Ferienziele waren besonders die "Sommerfrische" an den Küstenregionen und die Mittel- und Hochgebirgsregionen. Später entstanden auch Reisebüros, die besonders die finanziell weniger Betuchten ansprachen. Der Serientourismus mit organisierten Reisen war geboren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Reiseverkehr aus der Sphäre des Luxusbedürfnisses endgültig herausgehoben und die Ferienreisen wurden zum Massenphänomen. Nach dem 2. Weltkrieg und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau begann in den westlichen Industrienationen eine explosionsartige Entwicklung des Reisens. Voraussetzung für die massenhafte Reiseintensität waren höhere Einkommen, mehr Freizeit und die sich rasch entwickelnden Kommunikations- und Transportmittel. Neue Reisebüroketten entstanden und die ersten Charterflüge in mediterrane Regionen wurden angeboten. Mitte der 1960er Jahre begann mit Gründung bzw. Reiseangeboten von Quelle, Neckermann, TUI und Co. der Kaufhaustourismus. Der Tourismus entwickelte sich zu einer wahren Tourismusindustrie mit eigener Dynamik. Waren zunächst noch Bus und Bahn die Haupttransportmittel der Urlaubswilligen, wurde ab den 1960er Jahren das Auto zum Transportmittel Nr. 1. Fortan wurde mit dem eigenen Auto verreist und spezielle Freizeitfahrzeuge wie Wohnmobile und Caravans wurden speziell für das Reisebedürfnis konzipiert. Schon bald bildeten auch die Charterflüge eine Alternative zu den herkömmlichen Transportmittel.


Formen des Massentourismus

Eine Kategorisierung der Formen des Tourismus bzw. die Bestimmung als Massentourismus ist schwierig. Zunächst wird der Massentourismus mit den standardisierten Pauschalangeboten der Tourismusindustrie gleichgesetzt. Aber das Phänomen des Massentourismus schließt noch mehr Formen des Fremdenverkehrs mit ein. Denn wenn im Sommer die Ferien beginnen und Millionen von Urlauber zu den attraktiven Ferienzielen im Süden oder Norden aufbrechen, kann durchaus auch von Massentourismus gesprochen werden. Abhängig ist dies vornehmlich von der Wahl des Ferienziels und dessen Frequentierung durch Reisende. Da beispielsweise die Alpen im Winter ebenfalls stark frequentiert sind, kann diese Form des Fremdenverkehrs auch als Massentourismus eingeordnet werden.


Ökonomische, soziale und ökologische Folgen

Der Begriff des Massentourismus wird häufig im Sinn einer Kritik an den Auswüchsen des Fremdenverkehrs gebraucht. Die Folgen können wirtschaftlich, sozial und ökologisch je nach Reiseintensität und Ferienziel unterschiedlich negativ sein, aber es gibt natürlich auch positive Einflüsse des Massentourismus. Es entstehen neue Arbeitsplätze und somit Einkommensquellen für Geschäftsleute (z. B. Souvenirhändler), für Angestellte (z. B. Kellner) und für die betreffenden Gemeinden bzw. Regionen. Mit dem Massentourismus geht ein massiver und rascher Aufbau der Infrastruktur (z. B. Hotels, Flughäfen) einher, was besonders für Ferienziele in den sog. Entwicklungsländern zu gravierenden Veränderungen führen kann.
Das massenhafte Auftreten der Touristen hat aber auch auf die soziokulturellen Gegebenheiten des Gastgeberlandes Einfluss. So können das Verhalten der Touristen und die importierten Konsumgüter Wünsche und Bedürfnisse nach dem westlichen Lebensstil wecken. Die Lebensverhältnisse in den Dörfern und Familien werden umgestülpt, wenn der bettelnde Junge ein Vielfaches von dem des Familienvaters in der Landwirtschaft verdient. Problematisch erweist sich auch die Kommerzialisierung des kulturellen Erbes, wenn Kulturgegenstände zu Antiquitäten und Traditionen auf Show-Darstellung reduziert werden. Mit den steigenden Touristenzahlen erhöht sich auch das Verkehrsaufkommen, es wird mehr Trinkwasser verbraucht als vorhanden ist, das Müllaufkommen verstärkt sich, die Bodendegradation nimmt zu und ganze Küstenstreifen werden für immer durch die riesigen Hotelanlagen zerstört. Jedes durch Massentourismus bedingte Wachstum führt zu solcherlei anthropogenen Umweltproblemen. Wenn Fremdenverkehrsgebiete derart übernutzt und zerstört worden sind, besteht die Gefahr, dass schlicht neue Destinationen für den Tourismus erschlossen werden. Häufig werden dann wieder ähnliche Fehler begangen, ohne rechtzeitig Gegenmaßnahmen für eine nachhaltige Entwicklung zu ergreifen.


Zukunft des Massentourismus

Die weitere Entwicklung des Massentourismus in den jeweiligen Feriengebieten hängt also einerseits von den (Umwelt-)Bedingungen vor Ort ab, aber andererseits bestimmen auch externe Faktoren den Erfolg der Touristenzentren. Eine weitere Diversifizierung des Freizeitverhaltens und eine zunehmende Ablehnung des "Urlaubs von der Stange" führt zu einem veränderten Nachfragemuster. Weiterhin spielt natürlich die weltweite Entwicklung eine Rolle. Terroristische Anschläge, Krankheiten wie SARS und wirtschaftliche Rezessionserscheinungen beeinflussen die Reiseintensität und -ziele der Menschen und somit den Erfolg der jeweiligen Ferienregionen. Besonders wichtig für die Verreisenden ist die Abhängigkeit vom eigenen Einkommen und vom Verhältnis zur Arbeitszeit.
Letztlich kann trotz der hauptsächlich negativen Wahrnehmung des Massentourismus kaum gesagt werden, was guter bzw. schlechter Tourismus ist. Jede Form von Tourismus beeinflusst die Kultur und Umwelt vor Ort. Selbst der sog. Individualtourist und Globetrotter beteiligt sich daran. Eine Alternative bietet der Sanfte Tourismus, der als Ziel eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen in den Fremdenverkehrsgebieten hat. Für manche Ferienregionen kommen die Gegenmaßnahmen allerdings zu spät, denn viele Gebiete haben ihre touristische Qualität infolge des Massentourismus mittlerweile eingebüßt.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 11.06.2012