Haack Weltatlas-Online

Infoblatt Asien-Krise


Eine der weitreichendsten Finanzkrisen der näheren Vergangenheit im Überblick



Tigerstaaten in der Krise (Butz)

Die 1990er Jahre waren von einer großen Anzahl von Krisen auf den Finanzmärkten geprägt. Neben den Krisen in Mexiko und Russland zählt die sog. Asien-Krise wohl zu den bekanntesten wie weitreichendsten Finanzkrisen der letzten Jahre. Zahlreiche Banken gingen pleite, viele Kunden verloren all ihr erspartes und angelegtes Geld. Was aber war passiert, was führte zu diesem Krisenszenario?

Der ostasiatische Raum, also Länder wie Indonesien, Singapur, Malaysia oder Thailand im Süden, aber auch Südkorea im Norden, schien zu Beginn der 1990er Jahre ein gesunder Wirtschaftsraum zu sein mit guten Wachstumszahlen und -prognosen zwischen acht und zehn Prozent. Es herrschte weder eine übermäßige Staatsverschuldung infolge von Haushaltsdefiziten, noch gab es eine starke andauernde Inflationsphase; beides wären Anhaltspunkte für eine Krisenanfälligkeit gewesen. Im Gegenteil, die Entwicklung der Staaten wurde sogar als vorbildlich eingestuft, die Länder zum Teil als "Tigerstaaten" bezeichnet. Dass es dennoch zur Krise kam, hatte verschiedene Ursachen.
In den 1970er und 80er Jahren herrschte in den Tigerstaaten eine exportorientierte Wachstumsstrategie vor. D. h. es wurde versucht, Waren zu produzieren, die sich außerhalb des eigenen Landes verkaufen lassen, um so zusätzliches Geld zu erwirtschaften (siehe Export-Basis-Theorie). Gleichzeitig versuchte man aber, den eigenen Markt gegenüber ausländischen Anbietern abzuschotten, um die eigene Industrie zu schützen. Auch einer Liberalisierung der Finanzmärkte, der Öffnung der Grenzen für Kapitalverkehr, stand man lange Zeit mehr oder weniger skeptisch gegenüber. Dies änderte sich Ende der 1980er bzw. zu Beginn der 1990er Jahre, als die Weltbank und der Internationale Währungsfond (IWF) zunehmend die Liberalisierung der nationalen Kapitalmärkte forderten und sich in Asien, wie auch in anderen Teilen der Welt, mit ihren Forderungen durchsetzen konnten. Der Druck auf eine Öffnung der Finanzmärkte wurde immer größer. Südkorea musste z. B. genau dies als Auflage erfüllen, um der OECD beitreten zu können.
Mit der Öffnung der Kapitalmärkte waren nun die Möglichkeiten gegeben, dass einerseits Einheimische Kredite im Ausland aufnehmen oder im Ausland Kapital investieren konnten; und dass andererseits ausländische Anleger Investitionen auf den Märkten Ostasiens tätigen durften. Beides geschah in erheblichem Maße. Zunächst war es für Unternehmen der betroffenen Länder sinnvoller, Kredite beispielsweise in den USA zu nehmen, da dort die Zinsen günstiger ausfielen. Viele asiatische Unternehmen hatten also, obwohl es ihnen wirtschaftlich gut ging, Schulden im Ausland.
Umgekehrt legten, aufgrund der guten Wirtschaftsdaten und Prognosen sowie der hohen Zinsen, immer mehr Investoren aus dem Ausland ihr Geld in Wertpapieren o. ä. in den betroffenen Ländern an. Es kam zu einer Art Investitionseuphorie und dazu, dass auch Länder, die nicht so erfolgreich waren, wie z. B. die Philippinen, von der Entwicklung profitierten und immer mehr Geld dort angelegt wurde.
Im Folgenden kam es 1996 zu einigen Vorgängen, die außerhalb des Einflussbereichs der Tigerstaaten lagen und zu verschiedenen Schocks führten. So stieg das Zinsniveau in den USA und Japan wieder an, der Dollar stieg gegenüber den asiatischen Währungen. Dies führte zum einen dazu, dass die Schulden insbesondere in den USA immer größer wurden. Auch der Exportsektor stagnierte 1996 und in fast allen Ländern ging das Wirtschaftswachstum zurück. Die Banken und Wirtschaftsfachleute kamen zunehmend zu der Einsicht, dass die betroffenen asiatischen Währungen überbewertet seien und vom Dollar abgekoppelt werden müssten. Sogenannte Währungsspekulanten versuchten, aufgrund der sich abzeichnenden Abwertung, noch möglichst viel Gewinn zu erzielen und verstärkten so die Misere weiter. Es war schließlich der thailändische Baht, der zuerst freigegeben wurde und dessen Wert damit erheblich fiel. Jetzt war klar, dass die in US-Dollar gemachten Schulden kaum noch zurückzuzahlen waren. Außerdem wanderte die Spekulationswelle sofort von Thailand aus weiter auf die Finanzmärkte der Philippinen, die nur zehn Tage später ihre Währung, den Peso frei gaben. Die Investoren fürchteten nun auch in anderen Ländern Ostasiens um ihre Anlagen und zogen massiv Kapital ab. Es kam also zu einer Art Teufelskreis der negativen Entwicklungen, zu negativen Multiplikatoreffekten. Indonesien, Malaysia, Taiwan usw. folgten. Auch Japan geriet in den Abwärtsstrudel. Bis hin nach Russland setzte sich die Krise fort, wo die Regierung erklärte, dass der Staat die Zinsen seiner Staatsverschuldung nicht mehr zahlen könne. Es bahnte sich eine beinah weltweite Krisensituation an, die aber 1998 wieder aufgefangen werden konnte.
Zur Erklärung der Asienkrise und wie es dazu kam, gibt es zwei Argumentationslinien. Die eine besagt, dass das Problem hausgemacht gewesen sei. Die Staaten hätten eine schlechte Wirtschaftspolitik verfolgt, das Kreditsystem sei unzureichend und die Institutionen zu instabil gewesen. Andere wiederum verweisen auf die Rolle der Spekulanten, der ausländischen Banken, die bewusst die Krise in ihre Gewinnrechnung einkalkulierten und letztlich verursachten. Zusammengefasst waren wohl beide Gründe für die Krise verantwortlich; inzwischen haben die Staaten daraus gelernt und mit Blick auf die Sicherheit einiges an ihren Kreditsystemen verändert.


Literatur

Dieter, H. (1998): Die Asienkrise - Ursachen, Konsequenzen und die Rolle des Internationalen Währungsfonds.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Alexander Grimm
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.07.2012