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Infoblatt Umberto Nobile (1885 - 1978)


Umberto Nobile - eine Kurzbiographie

Der italienische Offizier und Luftschiffkommandant Umberto Nobile wurde am 21. Januar 1885 in Lauro bei Neapel geboren. Nach dem Studium der Mathematik, Physik und Ingenieurwissenschaften beschäftigte er sich ab 1911 mit aeronautischen Studien (Aerologie - Physik der hohen Atmosphäre). Als Konstrukteur arbeitete er seit 1915 in den Militär-Luftschiff-Werkstätten in Rom und stieg dort 1919 zum Direktor auf. 1923 wurde er Offizier und erhielt das Luftschiffpatent.

Als Entdecker lernte die Welt Nobile 1926 kennen. Gemeinsam mit Roald Amundsen bezwang eine Expedition erstmals den Nordpol auf dem Luftweg. Nobile steuerte das Luftschiff "Norge", ein Kielluftschiff von 106 Metern Länge, 19,5 Metern Durchmesser und mit 19.000 Kubikmetern Volumen. 3 Maybach-Motoren mit jeweils 245 PS verliehen ihr eine Höchstgeschwindigkeit von 113 km/h. Nobile war Kommandeur des beeindruckenden Luftschiffs, Amundsen der Expeditionsleiter. Nach dem glücklichen Ausgang der erfolgreichen Polarexpedition wurde Nobile zum gefeierten Helden. Seine Heimat Italien dankte ihm für die außergewöhnliche Leistung mit der Ernennung zum General. Roald Amundsen neidete ihm Zeit seines Lebens diese Anerkennung – aus Weggefährten waren Feinde geworden.

Traurige Berühmtheit erlangte der Italiener durch das tragische Ende der ersten italienischen Luftschiffexpedition im arktischen Sommer 1928. Nobile leitete die Expedition, für die er das Luftschiff "N2 Italia" selbst konstruiert und gebaut hatte. Doch was als ein Triumphzug für das faschistische Italien geplant war, endete in einer der größten Tragödien in der Geschichte der Entdeckungen.

Die "Italia" brach am 15 April 1928 zu ihrer Forschungsreise über den Nordpol auf. Der Flug ging zunächst zur Kings Bay auf Spitzbergen. Von der Insel hob das Luftschiff am 23. Mai um 4.30 Uhr mit Nobile und der 15-köpfigen Besatzung ab. Zurück blieb die "Città de Milano", das Versorgungs- und Hilfsschiff. Kurz nach Mitternacht erreichte die Expedition am 24. Mai 1928 den Nordpol. Die geplante Landung erwies sich angesichts der schlechten Sicht und der starken Winde als undurchführbar. So konnten die Italiener lediglich ihre Landesflagge über dem Nordpol abwerfen.

Als der General den Rückflug befahl, überschlugen sich die Ereignisse. Das – wahrscheinlich durch Eis – verklemmte Höhenruder ließ sich nicht mehr bewegen. Die jetzt manövrierunfähige "Italia" verlor innerhalb von Sekunden an Höhe und stürzte bleiern in die Tiefe. In dem Moment, wo sie auf das Eis krachte, brach die an dem Luftschiff hängende Gondel ab. Der jetzt von seiner Traglast befreite gasgefüllte Ballon stieg sofort auf und verschwand für immer – mit ihm sechs Besatzungsmitglieder.

Beim Absturz starb auch der Maschinist Pomella. Zurück blieben neun Überlebende, unter ihnen der schwer verletzte Nobile. Die Lage schien hoffnungslos, denn dem überlebenden Rest waren nur ein paar Lebensmittel, ein rotes Zelt und eine Kurzwellenradiostation geblieben. Allein über den Kurzwellensender konnte irgendeine Nachricht von der Eisscholle, auf der die Reste der Expedition jetzt dahintrieben, in die Welt gesendet und Hilfe herbeigeholt werden. Zur größten Erleichterung aller funktionierte das Gerät noch und Funker Biaggi sendete ununterbrochen das SOS der "Italia".

Erst nach vier Tagen registrierte man auf der "Città di Milano" in der Königsbucht auf Spitzbergen den verstümmelten Hilferuf, glaubte aber an einen Irrtum. Endlich – am 6. Juni, zwölf Tage nach der Katastrophe – fing der russische Amateurfunker Nikolai Schmidt in einem kleinen Dorf bei Archangelsk die Notsignale auf und alarmierte die ganze Welt. Noch einmal vergingen vierzehn Tage, ehe der Italiener Maddalena das rote Zelt entdeckte und am 20. Juni Proviant und warme Decken abwarf. Drei Tage darauf landete der Schwede Einar Lundborg in einer mit Kufen versehenen Fokker-Maschine auf der Eisscholle. Lundborg flog sofort den schwerverletzten Nobile nach Spitzbergen aus. Bei seinem zweiten Anflug ging das Flugzeug zu Bruch, so dass jetzt auch der Schwede auf der Eisscholle mit den anderen fünf Überlebenden festsaß.

In der Zwischenzeit war eine wirklich weltumspannende Rettungsaktion angelaufen, deren Ausgang von Millionen Menschen verfolgt wurde. Das größte Aufsehen erregte Roald Amundsen, der seinen ehemaligen Begleiter und Widersacher Nobile aus dem Eis befreien wollte. Aber von einem seiner Erkundungsflüge kehrte Amundsen nie mehr zurück und blieb bis heute verschollen.

Die Rettung für die Expedition Nobiles hatte einen Namen: die russische "Krassin". Am Nachmittag des 12. Juli 1928 hörten die Schiffbrüchigen die Sirene des mächtigsten Eisbrechers der Welt. Eine der größten Katastrophen der Entdeckungsgeschichte, die insgesamt 17 Menschen das Leben kostete, hatte ihr Ende gefunden.

In Italien machte man Nobile als den Schuldigen aus und für den Misserfolg verantwortlich. Der General wurde seines Ranges enthoben und aus der Armee entlassen. Ab 1932 war er Berater der russischen Luftfahrtgesellschaft und später an der Luftschiffschule in Lockport, Illinois. Ende der 1930er Jahre kehrte Nobile nach Italien zurück und lehrte lange Zeit als Professor für Aeronautik in Neapel. Nach dem Zweiten Weltkrieg kandidierte er für Italiens Kommunistische Partei. Zurückgezogen und vereinsamt starb Umberto Nobile am 30. Juli 1978 in Rom.


Sein Leben in Zahlen und Fakten

  • geb. 1885
    Umberto Nobile wurde am 21. Januar 1885 in Lauro bei Neapel geboren.
  • 1911
    Nach dem Studium der Mathematik, Physik und Ingenieurwissenschaften betrieb Nobile ab 1911 aeronautische Studien.
  • 1915
    Während des Ersten Weltkriegs arbeitete Nobile als Konstrukteur in den Militär-Luftschiff-Werkstätten von Rom, deren Leitung er 1919 übernahm.
  • 1923
    Nobile – nunmehr Offizier und zum Oberstleutnant befördert – erhielt das Patent zur Abnahme von Luftschiffen.
  • 1926
    Gemeinsam mit Amundsen überquerte Nobile mit dem Luftschiff "Norge" erstmals den Nordpol.
  • 1928
    Am 24. Mai 1928 verunglückte die von Nobile geleitete italienische Arktisexpedition unweit des Nordpols. Die völlig vereiste "Italia", das von Nobile selbst konstruierte Luftschiff, stürzte ab. Einen Maschinisten konnte man nur noch tot bergen, sechs weitere Expeditionsmitglieder blieben für immer verschollen. Dank der sofort einsetzenden internationalen Rettungsaktion konnte Nobile Ende Juni aus dem Eis geflogen werden. Roald Amundsen hingegen verlor bei der Suche nach den Überlebenden der italienischen Expedition sein Leben. Nach seiner Rückkehr in die Heimat wurde Nobile für den Absturz der "Italia" verantwortlich gemacht.
  • 1931 - 1936
    Von 1931 bis 1936 arbeitete Nobile als Luftschiffkonstrukteur in Moskau und ging danach in die USA, wo er in Lockport, Illinois, einen Lehrstuhl an der School of Aeronautics am Lewis College leitete.
  • nach 1945
    Der Konstrukteur und Wissenschaftler kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Italien zurück und lehrte an der Universität Neapel.
  • 1978
    Am 30. Juli 1978 starb Umberto Nobile in Rom.



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Klaus-Uwe Koch
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 03.06.2012